Reise-Notizen

von

Albert Hölzle

gesammelt von seiner

Else.

1879

Reise nach Italien

2-8 September. 1879.


Trotzdem Frau Zeitz im schönen Ulm mein Plan,

das schöne Land Italien zu bereisen gescheitert,

wurde doch gleich nach unserer Ankunft in

Luzern (woselbst ich in Condition mich befand)

der Gedanke in mir wach das Ziel meiner gehegten

Wünsche in Erfüllung zu bringen.“

In der That gelang es mir auch durch die

gütige Erlaubnis meines Principales [?]

Herrn Klostermann, die Idee zu erfassen,

festzustellen, zuerst einen gründlich studierten

Plan auszuarbeiten und nach diesem

das obere Italien bis zur Lombardischen

Ebene zu erreichen und kennen zu lernen!

Die Wahl des günstigsten Monats war auf

September gefallen, da in diesem Monat

Italien nicht mehr zu heiß und die Pässe

die ich zu passieren gedachte von Schnee frei

und daher am besten zu begehen waren.

Dazu kam noch, daß Mitte des Monats

die meisten Bergrouten ihren Cours

einstellten.

Da sich niemand fand, war ich gezwungen

alleine zu reisen und richtete meinen Plan

so ein, daß ich größere Fußtouren ausführen

konnte.

Da erschien gerade am Tag vor meiner Abreise

Montag der 1. September mein alter Bekannter aus Ulm

H. Reinhold Wunderlich, der mich auf der

Durchreise begrüßen wollte.

Es freute mich herzlich wieder von Ulm zu hören

und im Laufe des Gesprächs machte ich denselben

auf meine Tour aufmerksam und stellte den

Antrag, er solle mit mir reisen.

Mein Plan leuchtete sofort ein und nach kurzem

Bedenken waren wir einig und er versprach

mir, Dienstag d. 2ten September Mittags zur Abfahrt

nach Flülen gerichtet zu sein.

Das war für mich natürlich ein willkommener

Anschluß und freute mich sehr die Tour in

Begleitung ausführen zu können.

Der Morgen des 2ten September war angebrochen

ud. war ich etwas bange als ich beim Erwachen

die dunkle fast undurchsichtige Nebelhülle

beobachtete, die sich über die ganze Gegend aus-

breitete.

Getrost ging ich jedoch an mein Tagewerk als ich

den hohen Barometerstand betrachtete.

Ich entdeckte daß nur Herbst Nebel, die ganze Natur

eingehüllt und war fest entschlossen, Mittags

abzureisen.

Als ich morgens alle Arbeit bereinigt gings um

1 Uhr auf meine Bude warf mich in Costüm

und Punkt 1/2 2 Uhr war Wunderlich bei mir und

marschierten wir vergnügt dem Dampfboot zu.

Punkt 2 Uhr brauste dieses heran und wir

mit demselben hinaus in den dichten Nebel,

der Rigibote Xaver [?] bestätigte meine

Behauptung, daß auf den höheren Spitzen sicher

das schönste Wetter sei; ebenso sagten die Conducteure [?]

die vom Gotthard kamen, daß über den Höhen

bei Göschenen reines, schönes Wetter sei.

Nun fuhren wir getrost weiter und um 4 Uhr waren

wir in Flülen [Flüelen]. Wir engagierten sofort für die

schönsten Parthien bis Amsteg eine Droschke zu

8 Frcs. und fuhren das schöne Thal flott hinauf.

Nach und nach wurden die Spitzen sichtbar.

Zur Linken: der hohe Faulen, die beiden

Windgellen, der hohe Ruche etc.

zur Rechten: Mäntliser Schlossberg, Dammastock etc.

Es war eine hübsche Fahrt und johlend und blasend

(ich hatte mein Alphorn mitgenommen) zogen

wir in Amsteg ein, da es bereits dunkel geworden

entschlossen wir uns mit der Post runterzufahren

bis Andermatt.

Direkt vor Amsteg baut sich der prächtige

Birkenstock auf; überall sah man, theils tief

unter uns, theils hart an der Straße theils über

uns fleißig arbeiten an den schwierigen Parthien

die zum Gotthard Tunnel führen.

Besonders bei Wasen sah man die braunen

Menschen massenhaft auftauchen.

In Göschenen selbst wimmelte Alles und

überall ein Getöse und Geklopfe, daß man

sicher glaubte die Kerls [?] wollten die Berge

umarbeiten.

Als wir auf den großen Windungen angelangt

sahen wir plötzlich unter uns das Nebelmeer

und dafür hatte der herrliche Vollmondschein

die Höhen beleuchtet und uns so einen prächtigen

Blick auf die im Vollmondnacht magisch

beleuchteten Bergkolossen gestaltet.

Vor der Teufels-Brücke stiegen wir aus

und wirklich war das ein eminent großartiges

Schauspiel.

Wildtobend in rein weißen Schaum aufgelöst

stürzt die Reuss in eine schauerliche Schlucht und

darüber in kühnen Bogen spannt sich die

Teufels Brücke.

Wer diese großartige Scenerie im reinem Voll-

mondlicht nicht gesehen macht sich keinen Begriff

von dieser schauerlichen Schlucht.

Wir begaben uns sofort in ein mir noch

wohlbekanntes "Rössli" und am gleichen Tisch

mit bequemen Sopha, wo wir vor 2 Jahren

so gemütlich saßen, ließen wir uns den

famosen kalten Braten ud. den ganz ausge-

zeichneten Veltliner schmecken!

Die Bude ist sehr einfach, aber alles heimelte uns

darin an; nachdem wir unsre billige Zeche

gezahlt legten wir uns ruhig nieder!

 

Frühzeitig erwachte ich am anderen Morgen und

mein erster Schritt war zum Fenster.

Seufzend weckte ich meinen Wunderlich, denn

der Himmel war wolkenlos, der Nebel gewichen und

ein herrlich tiefblaues Sternenzelt breitete sich

über den Felszacken aus.

Bald waren wir gerüstet und nach herzlichem

Abschied von den freundlichen Wirthsleuten

gings um 4 Uhr fort dem schönen Thal entlang

nach Hospenthal.

Es war ein herrlicher Morgen! Wir machten kurzum

Halt um die herrliche Landschaft zu betrachten.

Und wirklich hatte man hier einen wundervollen

Blick auf die Berg Riesen die sich dem Reussthal

entlang zogen.

Da war der prächtige Damaten [Damastock?] mit seinen

Gletschern, der Tiefengletscher ud. das prächtige

Wetter und Wellhorn dann die reizend sich

hinaufschlängelnde Furka-Straße.

In raschem Lauf ging es hinauf über die alte

Straße und dann kamen wir bald zu einer

Albergo unter der Fibbia; nach 1/4 Stunde hatten

wir die Passhöhe erreicht und das Gotthard

Hospiz war in Sicht.

Wundervoll lagen die tiefen blauen Seen da,

von denen einer die Reuss Quelle aufnimmt!

Mit Macht stieß ich in mein Horn und ein

großartiges Echo an der Presa [Prosa] hinauf war die

Antwort.

Bald waren wir im Hotel della Presa [Prosa] ange-

langt, nahmen einen kräftigen Imbiß und

mit dem 14 jähr. Sohn des Wirthes machten wir

uns um 8 Uhr auf dem Pizzo centrale.

Im Anfang geht es steil über starkes Stein-

geröll, dann kommt man auf eine große

Weide immer steil ansteigend bis fast unter

die Presa. Dort waren wir um 10 Uhr, nach

und nach war es ziemlich heiß geworden.

Und erklärt mein Wunderlich: er könne

nicht mehr weiter und bleibe hier!

Ich ließ mich nicht abhalten sondern ging noch

viel rascher und stramm bergan. Bald wurden

wir die vor uns aufgestiegene Gesellschaft wahr [?]

deren Führer ich übernehmen konnte ud. nun

gings über ein großes Schneefeld am

Fuß des Petrusberges entlang, hinauf auf

eine höhere Abstufung. Dort nahm ich den

Führer mit, der Junge kehrte mit den Andern

wieder zurück.

Wir kamen nun über ein sehr großes Schneefeld

und bald wurde die Spitze des prächtig daliegenden

Tritthorns oder Pizzo-Centrale 3064 meter

sichtbar.

In der großen Schnee-Runse [kerbförmige Erosionsrinne] unter uns war

eine andre Gesellschaft mit einer Dame, denen

ich tüchtig zublies.

Vom großen Schneefeld ging es über ein großes

Trümmerfeld das mit ganz feinem, schlüpfrigem

Staub bedeckt war, was das Gehen hemmte!

Punkt 12 Uhr war die höchste Spitze des Pizzo

Centrale erreicht.

Frohlockend schwang ich meinen Hut.

Es war auf dieser ordentlichen Höhe ganz angenehm

warm, deshalb wurde sofort eine Bank zurecht

gemacht und sich ordentlich restaurirt [?].

Dann wurde das Panorama hervorgeholt und

die über alle Beschreibung erhabene Gebirgswelt

studiert.

Hart vor mir lag der breite Rücken des

Petrusberges, daran sich anschließend die

Presa [Monte Prosa] und die Fibbia und die schneeweißen

Zacken der Monte Rosa, die Mischabellhörner

das Matterhorn, Weißhorn, Aegischhorn

dann in majestätischer Pracht die Berner Oberländer

mit ihren großartigen Gletschern, dann tritt

Lauteraargletscher mit seiner famosen

Mittelmoräne ausgezeichnet hervor, davor

der Rhône Gletscher, Trift gletscher, Steingletscher

dann wundervoll vis-à-vis der Tiefengletscher

ud. d. Damagletscher; dies war ein Anblick

eines ganz ungeheuren Gletscherfeldes.

Weiter kamen Schlossberg, Kräntel,

Mäntliser, dann weit außen schauten

meine beiden Freunde, der Mythen und

Frohnalpstock heraus.

Neben dem Reussthal lagen die Windgellen

Schlerhorn, Bristenstock, der brilliante

Oberalpstock und daneben der Tödi

dahinter der Glärnisch.

Nun kamen vom Tödi ab Chur zu

und ins Engadin eine Menge - wer kann

sie behäupten [?]? -

Auch die Berninagruppe schaut heraus ud.

sich anschließend sämtliche Italiener

bis zur Monte Rosa Gruppe.

Ein merkwürdiges Bild! Das einzige Stück Erde,

das von hier aus sichtbar und der Menschenhand

cultiviert ist eine kurze Strecke der Gotthardstraße;

sonst sah man nichts als colossale Felsmassen,

theilweise von unglaublichen Dimensionen

und daneben die Jahrtausend alten Gletscher und

Schneefelder!

Man denke [?] sich diesen Chaos von Welten

und ich mitten der Natur trotzend der begehrte

diese Schönheiten zu sehen!

An diesem Tag mag es wohl auch wenig solcher

glücklichen Menschen gegeben haben, als ich mich

gefühlt.

Es waren herrliche Momente, die ich auf diesem

Pizzo Centrale zugebracht; aber trotz dem mußte

Punkt 1 Uhr geschieden sein!

In kurzer Zeit waren wir auf dem großen

Schneefeld, das sich sehr steil abstufte ud. im

Nu waren wir wieder unten am Fuße.

Ich wollte den alten Weg nicht mehr zurück-

legen und so sagte ich zu meinem Führer:

"Es muß gerade aus gehen, mag's gehen wie

es will!"

Er wollte aber nicht; doch ließ ich mich nicht

abhalten nur so stiegen wir ab, ja wir

krochen mehr an den oft sehr steilen Stellen;

er nur hintendrein, oft mehr seufzend als

es ihm zu steil werden wollte, doch es ging

nur in 3/4 Std. hatten wir einen Weg von

2 Stunden zurückgelegt.

Im Abstieg nahm ich einige schöne Berg-

kristalle mit; um 2 Uhr waren wir an der

italienischen Sennhütte am wundervollen

Strehla [Sella] - See.

Mein Führer öffnete die Hütte, wir krochen hinein

stärkten uns mit Ziegenmilch und nachdem

wir uns gehörig gestärkt legte ich 40 ct. in eine

Nische und zogen wir weiter.

Eine solche elende Hütte sah ich noch nie auf den

Alpen; Steine waren im Quarée [?] auf einander

gelegt, oben herüber einige Balken und darauf

wieder Steine (die ja dort oben [?] ganz umsonst

zu haben sind!) da unten wo Wind und

Regen bequem durchstreichen, liegt ein

Haufen Heu und einige schmutzige Tücher.

Dies ist das Nachtlager; wenn's da oben ein-

mal schneit und bläst so ist's wahrlich kein

großes Vergnügen!

In raschem Tempo bei herrlichem Wetter

gings abwärts und Punkt 3 Uhr waren wir

auf unserem Hospiz angelangt.

Freund Wunderlich war da und schlug Lärm,

daß ich so spät gekommen und ihm nicht geblasen

hätte; (obgleich ich tüchtig auf meinem Horn

geblasen) aber in einer solchen Entfernung

konnte man solches nicht hören.

4 Uhr, nachdem die Frau vom Hospiz

mir meine Pflanzen ud. Steine in ein Tuch

gericht und alles im Reinen war zogen wir

weiter!

Dies war ein famoser Abstieg!

Die Massen großer Bogen, die die Gotthard-

straße hier nach Airolo zu macht nur die riesige

Steigung zu überwinden, wurden alle im

Galopp abgekürzt und so waren wir im

kurzer Zeit am Eingang des Vals Tremola,

dessen Fluß hier prächtige Cascaden bildet.

Da! plötzlich liegt das schöne Italien vor

unseren Augen! Man fühlt es an Celtem [?]

und sieht, daß man in ein wärmeres

fruchtbareres Klima gelangt ist.

Weit hinaus blickt man in das

herrliche Tessin Thal.

Tief unten liegt das fast neu aufgebaute

Airolo. Ein großer Brand vor kurzem

 

verzehrte einen großen Theil des Ortes.

An den großartigen Wasserfällen eines wild-

brausend Alpbaches stiegen wir hinab und

um 5 Uhr langten wir in Airolo an;

Welch ein Kauderwelsch um uns herum!

"Ou est la porte? fragten wir den Ersten, der mir

in den Weg kam.

"Niente comprendere!" war die Antwort.

Endlich verstand mich einer und erklärte

mir: à la fin de village!

Welche Freude, daß auf der Post noch etwas

deutsch gesprochen wurde, so konnten wir uns

über unser Billet verständigen.

In der Höhe war ein Albergo - dort verstand

man ein wenig französisch.

Es war eben Markt und konnte man den

italienischen Typus studiren.

Statt der Thüren waren in allen Localitäten

Vorhänge angebracht; beinahe vor jedem Haus

waren Stände mit Früchten aller Art.

Es war ein buntes Klagen [?] ud. Treiben!

Da kam die Post mit ihrem colossalen Wagen

angesaust; ich nahm mein Gepäck, das ich in

Andermatt aufgegeben, in Empfang und

nachdem wir im Beiwagen Platz

gefunden ging es durch die herrliche Landschaft

nach Faido. Es dunkelte bereits als wir hier

anlangten und fuhren wir weiter nach Biasca.

Nachdem wir uns in der Bahnhof Restauration

erfrischt ging es weiter nach Locarno.

Im schönsten Mondschein fuhren wir an den

Ufern des herrlichen Lago maggiore entlang.

Ganz erstaunt waren wir in Locarno im

Hotel della Corona von Kellner und Portier

deutsch angeredet zu werden.

In einem prächtigen Saal nach italienischen

Geschmack mit Teppichen belegt kosteten wir

eine Flasche feurigen Barbera und ruhten

von unseren Strapazen dann aus.

morgens 1/2 3 Uhr wurden wir geweckt

und mit knapper Noth kamen wir noch d.

3. Sept. auf unser Schiff!

Eine wundervolle Vollmondnacht hatte uns

auf dem Vordeck gehalten.

Wer kann das Gefühl beschreiben das einen

übermannt, wenn man auf solch schönem

See alles schöne sehen darf, das dieses

paradiesische Land gewährt?

wir fuhren an Brissago vorbei und als wir

in die Höhe von Luino kamen erhob sich

im fernen Osten die liebliche Sonne, die

uns den Tag bringen sollte.

Es war prächtig wie auf dieser Seite plötzlich

Bergriesen auftauchten, angehaucht von den

matten Schein der aufgehenden Sonne, bald

beleuchtet sie den ganzen Lago maggiore.

Am rechten Ufer derselben sieht man eine

Menge herrlicher Villen kostbar gebaut,

und was hauptsächlich den landschaftlichen

Reiz erhöht was dies Paradies so belebt und

entzückend macht, das sind die niedlichen

Ortschaften mit ihren schlanken Kirchthürmen

die sich stufenförmig an den Berges Abhän-

gen hinaufbauen.

Wir sind nach und nach an dem reizend

gelegenen Intra angelangt und geht es

von hier in den schönsten Theil des Sees

in die Bucht von Pallanza!

Es läßt sich nicht beschreiben wie wundervoll

die Natur dieses Stück Erde ausgeschmückt

hat!

Tief im Hintergrund liegt majestätisch

in blendenden Weiß, die ganze Gegend

beherrschend,die Monte Rosa Gruppe mit den

Mischabelhörner, davor lagern sich die Berge,

die den Simplon einfassen, und die bis in

ihr Inneres, den herrlichen Marmor liefern

der zu den Prachtbauten Mailands und

Ober Italien verwendet wird.

Hier sind die unerschöpfliche Marmorbrüche

des Giovani Galeazzo Visconti, dem Gründer

der wundervollen Baues des Mailänder

Domes.

Diesem enorm reichen Mailänder/Milanesen

gehörten anno 1300 diese Marmorbrüche

und hat diese der Stadt Mailand mit

mehreren Millionen Frcs. geschenkt; so

daß die Milanesen zu ihrem Dom nicht nur ein

Kolassales Capital zum Bauen sondern auch

für den herrlich weißen Marmor keinen

Centime zu zahlen hatten als nur die Fuhr-

kosten.

Vor diesen unerschöpflichen Marmorbergen

liegt der herrliche Lago maggiore.

Man sieht die Borromäischen Inseln in die

herrlichen Gefilde, die darauf sind!

Auf den Inseln kann man alles sehen, das nur ein

südliches Klima bieten kann.

Orangen, Feigen, Oliven, Lorbeerbäume

prächtige Magnolienbäume, colossale Agave

ud. Aloe-Arten und was alles noch mehr.

Nun kommt Suna und im Eck des Sees

Feriolo, dann Baveno und nun fährt man

den 3 Inseln zu auf Isola Madre mit seinen

prächtigen Garten Anlagen; dann noch

Isola Pescadore [Pescatori] und zuletzt auf die

schönste der Inseln: Isola Bella!

Hier landet das Dampfboot und man hat

Muße [?] sich alles zu besehen.

Terrassenförmig baut sich die Insel auf,

überall sieht man Pflanzen der seltensten Art

die Inseln gehören den Bormeos [Borromeos], einer einst

außerordentlich reichen Grafen Familie, die

jetzt im Abnehmen ist.

Die Terrassen sind mit prachtvollen Anlagen

und Grotten angebaut und oben erhebt sich

der herrliche Palast mit seinen Reichthümern.

Es ist ein wundervolles Bild wenn man

diese prächtige Insel inmitten des wunder-

schönen Sees betrachtet! -

Wir fuhren wieder weiter und ehe wir nach

Angora einfuhren, sahen wir, weiter oben, wieder

ein herrliches Schloß in alterthümlichen Styl.

auf einem großen Piedestel [Podest] steht die enorm

Colossal Statue des Erzbischoffs v. Mailand:

Carl Borromano.

Seine Familie erbaute die Statue, welche

112 Fuß hoch ist und in deren Kopf 7 Personen

Platz haben. Es soll eine Million Frcs. gekostet

haben.

Nun fährt man nach Arona weiter.

Hier gegenüber liegt die Ruine Angora!

In Arona ist richtiges Leben. Hauptzollplatz

Fruchthallen und großer Bahnhof.

Es war ein gewaltiges Gedränge; und wurde

mir etwas unbehaglich zu Muthe, da wir kein

Wort italienisch verstanden.

Am Schalter machte ich mich, so gut es ging,

verständlich erhielt auch mein Billet, doch als ich

zahlen wollte und mein schönes Geldstück hin-

legte wurde mir mit lauter [?] Papierstreifen

herausgegeben, mit denen ich zuerst nicht

wußte was anfangen!

Doch fand ich mich bald zurecht und war zufrieden

daß Alles stimmte.

Eine eigenthümliche, aber sehr angenehme

Einrichtung ist bei den Italiernen, daß man

ehe man den Wartsaal betritt, vom Portier ange

halten wird und die Billete congiren [?] lassen

muß. Man hat dann auf der ganzen Fahrt

mit dem Conducteur nichts mehr zu tun.

An Reinlichkeit lassen die Wartesäle zu

wünschen übrig. In den Fensternischen standen

die Weiber mit Früchten feil bietend, herum.

Auch wir kauften uns ein Vorrath davon.

Nun kam unser Zug, wir stiegen in unser

Coupé; neben unseren Geleise stand der

Zug des Königs von Italien, welcher gerade hier

weilte und hatten wir Gelegenheit auch die

prächtige Einrichtung des königlichen Wagen

zu studieren.

Endlich brauste unser Zug davon, doch in einem

andern Tempo als in unserem gemüthlichen

Schwaben.

Durch fruchtbare Felder und Aecker, besonders viel

Mais fuhren wir dahin und war die Fahrt durch

den vielen Staub sehr unangenehm.

Um 12 Uhr langten wir in Mailand an,

woselbst wir von Allen begafft wurden,

ob unsers Touristen Costüm; das genierte aber

wenig. Wir gaben unser Gepäck dem Portier

des Hôtel Pozzo auf.

Nun kamen wir durch das große Eingangsthor

das jeder Reisende passieren muß um das Zoll-

revision unterworfen zu werden. Von uns wollte

zwar Niemand etwas, man ließ uns laufen

und wurden nur angegafft!

Unsere erste Arbeit war uns v. unseren Staub zu

befreien und uns reinigen zu lassen!

Die erste Straße, Bahnhofstr. bildet eine große, breite

Fläche mit Läden aller Art. In derselben trat uns

gleich italienisches Leben vor Augen indem sich

die faulen Italiener im Staub wälzten, die

einen schliefen, die anderen gähnten vor

Langeweile. Haufenweise lagen die Kerls

da baarfuß, zerlumpt ud. ohne Kopfbedeckung.

Nachdem wir die Straße entlang gegangen hetzten

wir uns in eine Restauration, da wir ordentlich

Hunger bekamen. Doch Niemand wollte uns

verstehen, bis endlich ein feiner Herr unsre

Noth mit ansah, sich mit uns französisch unter-

hielt und den Dollmetscher machte.

Wir bekamen Cotelettes mit Maccaroni und

einen Teller mit Eis welches wir z. unseren

Wasser als Getränk uns trefflich schmecken ließen.

Als wir uns z. Aufbruch richteten stellte uns

der freundl. Wirth ein großes Teller mit allem

möglichen Obst hin und sprechen wir auch

diesem zu.

Unser Dolmetscher riet uns mit dem Omnibus

zu fahren die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen.

So fuhren wir zuerst auf die Piazza Duomo

durch schöne, theils auch enge Straßen gelangten

auf diesen schönen Platz auf welchem der

prächtige Dom stand, ein wahrer Prachtbau in

seinem rein weißen Marmor!

Nachdem wir denselben von außen besichtigt

traten wir in das Innere. Eine fast schwermüthige

stimmende Ruhe herrschte hier beim Eintritt.

Die Thüren sind mit Vorhängen verhängt

und muß man sich erst an die eigenthüm

liche Beleuchtung gewöhnen.

Das Innere ist mit Kostbarkeiten aller Art aus-

geschmückt, die Glas Malereien sind prachtvoll

die Säulen v. Marmor, die Holzschnitzereien

dies alles fesselte unser Auge.

Wir stiegen hinab zu Carl Borromens Grab

und betrachteten beim Schein einer Fackel

die herrlichen Kunstschätze

Ein alter Mönch führte uns herein u.zum Dank ver-

langte er 1 Frc.

Von hier steigen wir in Begleitung eines deutsch-

redenden Führers auf den Dom. Man gelangt nach

ziemlich hoher Steigung auf den Rundgang von

wo aus man die zahllosen Säulen und Bogen sehen

kann, die das Schiff des Domes zieren.

Zuerst wurden wir auf den botanischen Garten

aufmerksam gemacht. Diesen bilden 4000 Marmor

Säulen, deren Spitzen ja in eine künstlerisch

gemachte Blume od. Frucht endet; wenn man

über den Flor hinwegschaut könnte man

wirklich sich in einen botan. Garten versetzt

fühlen.

Wir steigen eine Stufe höher ud. befanden uns

vor dem neuen Thurm mit wundervollen

Statuen, außerordentlich fein, von Mailänder

Notabilitäten gestiftet dieses Jahr erst vollendete

hat 4 Mill. Frcs. gekostet.

Wir stiegen noch höher und befanden uns auf

der Plattform. Wir stehen dem Giebel gegenüber

und betrachten die herrlichen Statuen die hoch

als Einzelthürme über den Giebel hinausragen.

Nun kommen wir an einen Punkt von wo aus

wir einen Blick über ganz Mailand haben.

Hier liegen die großartigen Complexe der

Galerie Viktoria Emmanuele, ein Meisterwerk

mit einem ungeheuern Glasdach bedeckt.

Dann kommt die Piazza della Scala mit dem

Denkmal Leonardo da Vinci, weiter die ver-

schiedenen Kirchen im Hintergrund der

Arco della Paza. Hier liegt der prächtige Garten

Giardino publico mit der Porta Venezzia.

Weit ausgedehnt gen Süd-Osten liegt die

fruchtbare Adda ud. Lombardische Ebene und

fast neben uns liegt der prachtvolle Bau

der Architekten des Domes.

Oben auf dem Giebel liegen zwei wunder-

volle Statuen: der Morgen ud. den Abend

vorstellend.

Noch einmal überblickten wir alles und

dann ging es wieder hinunter!

Der Führer erhielt 2 Frcs.

In der Casse wurden wir gefragt ob wir Geld bei

uns hätten u. wurde uns, nach Bejahung,

gerathen beim Banquier solches z. wechseln.

Unsre Freude war groß als wir für 40 Frc.

46 Frcs. erhielten, allerdings in Papiergeld, doch

war solches bald aufgebraucht.

Noch einen Blick warfen wir in den Prachtbau

des 7ten Wunderwerks der Welt, und schicken

von diesen heiligen Hallen erfüllt von all

dem schönen, das wir gesehen!

Wir durchwanderten die schmutzigen Straßen

und gelangten zur Kirche St. Ambrosios

woselbst wir den herrlichen Gesang eines

Chorknaben hörten und rührte uns wirklich

diese reine, schöne Kinderstimme!

Nachdem wir ihr lange gelauscht zogen wir

weiter und kamen an das Scala-Theater.

Von außen besichtigten wir dieses und als

es mittlerweile dunkel geworden zogen

wir uns gegen die Galleria Vitoria Emanuele

welche nun vollständig beleuchtet war.

Welch ein Leben herrschte nun hier.

Ein Gang durch die Hallen lohnt sich der

Mühe. Vom Scala Theater kommt man

in die Gallerie an unendlich viel Läden

vorüber. Tausend von Lichter beleuchten

die Gänge u. wenn man zur richtigen

Höhe der Rotunde [?] hinaufschaut schwindelt einem

fast vor der üppigen Pracht der marmornen

Säulen ud. Candelaber.

In dem Gang nach dem Dom sind großartige

Cafèes und Restaurants wo man alle Erfrischungen

haben kann.

Nachdem wir uns gründlich umgesehen fuhren

wir mit Omnibus bei sternheller Nacht in den

Giardino publico! Man könnte es beinahe

ein 2tes Tivoli heißen. Hier sehen wir eine

italienische Nacht im wahren Sinn des Wortes.

Wundervoll waren die Anlagen beleuchtet

überall farbige Lampions abwechselnd.

Wir besuchten das Theater woselbst eine Parodie

auf Medea gegeben wurde. Es war, trotz dem

wir nichts italienisch verstand, zum krank

lachen urkomisch aber nicht zu fein.

Der Mailänder ist so etwas gewöhnt ud. Jung

ud. Alt Damen & Herren ergötzten sich an diesem

Schauspiel.

Es war so gedrückt voll, daß wir stehen mußten

und als wir dieses satt hatten gingen wir

zum Tanz Platz der Kinder.

Weiter davon weg waren Seiltänzer die alle ihre

Künste ausführten.

Im Centrum stand eine hübsche Halle, dies

war das Büffet und konnte man hier haben was

man nur wünschte.

Trotzdem wir im September waren, war es hier

so angenehm warm, daß man ohne Ueberzieher

im Freien sitzen konnte.

Es war ein Leben wie es nur Italien bietet.

Alles lebt in Saus ud. Braus und so geht es fort

bis spät nach Mitternacht!

Wir hatten Glück in Mailand, denn diese

Gartenfeste sind nicht alle Tage.

Wir hatten viel geleistet ud. suchten 1/2 12

Uhr nacht müde unser Hôtel auf, das wir

aber kaum fanden, doch nach langem

Suchen freuten wir uns am Ziel zu sein

und nach einer Stärkung legten wir uns

zur Ruhe u. schliefen bei geöffneten Fenstern

ausgezeichnet.

4 September. Wiederum hieß es um 1/2 4 Uhr: heraus!

da um 5 Uhr unser Zug abfuhr. Rasch waren

wir wieder auf dem Damm und mit dem

flotten Omnibus rutschten wir aus der Piazza

della Scala etc. vorüber, Allem noch ein herzlich

"Lebe wohl" zurufend.

Wir lösten auf dem Bahnhof angelangt Billets

nach Lugano. Und bald brauste der Zug

von dannen, wir sahen noch einmal das

schöne Mailand und fuhren dann durch

schöne Weinberge und Obstgärten.

In Como sahen wir zum ersten Mal

den schönen Comer-See, doch nur auf kurz,

denn bald wurden wir in einen gewaltigen

Tunnel eingeführt und aus demselben

heraus gelangten wir an die andere Seite

des Sees. In Chiasso war wiederum

Zollrevision. Nach dieser freuten wir uns,

wieder in schweizerischen Wagen unsere

Reise fortsetzen zu können.

Nach kurzer Fahrt gelangt man in die

Nähe des Luganer-Sees. Hier erheben

sich schon ganz gewaltige Bergmassen.

und kommt man durch eine schöne Gegend nach

Capolago! Von hier läßt sich schon die Seebucht

beobachten. Zur Linken hat man während der

Fahrt den Blick auf den See während zur

Rechten sich starke Gebirgsketten erheben!

Bei Bisone [Bissone] erreicht man die über den

See führende Brücke uns bietet sich von

hier ein prächtiger Blick auf den See.

Dieser hat eigenthümliche Reize.

Die Ufer sind theils sehr lieblich mit Weinbergen

angebaut theils schroff und steil.

Durch Obstgärten, Orangen und Lorbaerhaine

hindurch gelangt hoch über Lugano in

den Bahnhof ein.

Wir stärkten uns im Hôtel della Corona

besuchten dann die alte Kirche San Lorenzo,

mit hübschen Marmor-Façaden.

Das Wetter war uns bei allem sehr günstig.

Von hier gingen wir durch schmutzige

Straßen, woselbst wir das Glück wieder hatten

Marktleben anzutreffen, u. gelangten durch

die See Allee zur Kirche Santa Maria.

Nachdem diese so wie die schönen Fresco-

Gemälde besichtigt schritten wir unserm

Hôtel zu, holten unser Gepäck und fuhren

mit einem kleinen, aber niedlichen, Dampfer

von Lugano ab!

Der frische Wind ließ uns die warme Tempe-

ratur nicht empfinden.

Reizend lag vor uns die Kapelle des

Monte Salvatore, das eine famos runde

kugelförmige Form annimmt.

In Porlezza angekommen hatten wir wieder

ein Mal das Vergnügen der Zollrevision

Als dieses abgemacht [?] nahmen wir uns einen

Wagen und fuhren nach Menaggio.

Dort nahmen wir uns ein Boot und

fuhren nach der Villa Charlotta.

An herrlichen Villen vorüber gelangt

man an eine große Treppe, die ins Wasser

hinab führt zur Villa. Sie liegt bezaubert

schön. Beim Eintritt in den herrlichen

Garten fällt der Blick auf die Massen

tropischer Gewächse: Myrthe, Hortensien

etc. Eine breite Steintreppe führt hinauf

zum Portal. Gleich beim Eintritt wird

man Meisterwerke von Marmor Statuen

gewahr und im Saale sind Thorvaldson

Meisterwerke vertraten besonders schön ist

Amor ud. Psyche so fein ausgeführt, daß man

jede Ader zu sehen meint.

Vom Garten hat man einen schönen Blick auf

den See und den gegenüberliegenden

Bellagio.

Die Fahrt war wiederum prächtig ud. im

Hôtel Florence stärkten wir uns und besahen

uns dann Bellagio näher.

Mittlerweile kam unser Dampfer, welcher

uns wieder nach Menaggio zurückfährt.

Die Stadt machte einen recht italienischen

Eindruck durch die flachen Dächer der Häuser.

Von hier ging es mit der Bahn über

Ravenna [Varenna?] nach Collico [Colico].

Hier benutzten wir den Postwagen, in

welchem schon ein junges, hübsches Ehepaar

Platz genommen, und bei herrlichen

Mondschein nach Riva.

Auf dem Weg nach Chiavenna weckte

mich Freund Wunderlich aus meinem

guten, bekannten, Schlaf und rief mir

ins Ohr, daß ein Pferd gestürzt sei

und kaum mehr zum stehen zu bringen

sei. Die junge Frau neben mir zitterte

am ganzen Körper, denn der Wagen war

gerade an einen Abgrund und hätte es sehr

schlimm gehen können. Endlich nach harter

Arbeit konnte das Thier z. stehen gebracht

werden ud. wir kamen glücklich nach Chiavenna

woselbst ich mich von Freund Wunderlich

trennte, da derselbe über den Splügen Pass

Chur d. [dann] Genf zufuhr.

Ich blieb allein zurück und nachdem ich

in der Post gut geschlafen, gings am andern

Morgen weiter.

Die Fahrt von Chiavenna dem Bergell

entlang ist großartig sie führt meistens

durch ein von colossalen Bergen umgebenes

Thal auf beiden Seiten sind Gletscher und

Wasserfälle sichtbar.

Ueberall sieht man Burg Ruinen bis

hinauf zur Silvaplana ud. St. Moritz.

Von Bondo aus geht's ziemlich bergauf

und plötzlich kommt man in einen Tunnel

der durch einen steilabfallenden Felsen geht.

Man glaubt auf ein Mal aus dem

schönen Italien in hoch alpine Regionen

zu kommen. Ueberall sieht man die, dem

Engadin so eigenthümlichen Ruinen.

In Löblia [Löbbia] hatten wir den großartigen

Albignafall [evtl. dem Stausee zum Opfer gefallen], dessen Wassermassen laut tosend

in einen Kessel stürzt um von da aus erst

in die Tiefe gewaschen [?] zu werden.

Nun gings nach Cassacia und von da

wanderten wir (ich hatte in einem Herrn

Begleitung gefunden) zu Fuß dem

schönen Thalkessel entlang bis an die große

Windungen des Maloja Passes.

Ich schlug vor diese Windungen zu umgehen

indem wir den gerade vor uns liegenden

Kamm überkletterten. Mein Reisegefährte

that es nur ungern, aber bald gab er zu,

daß es doch das Beste sei u. kletterten wir eine

steile Wand empor, ich meiner voran.

Der sehr primitive Weg ging aus und wir

standen mitten auf einer Heide wo wir

nicht mehr rückwärts konnten und waren

gezwungen an einer sehr schwierigen Stelle

auf alle Vieren emporzuklettern.

Meinem Gefährten schwand aller Muth.

An einer Stelle musste ich ihn emporziehen

und kamen wir doch bald oben auf d. Paß an!

Hier hatten wir den Ursprung des Inn ud.

des schönen Silser-See's. Wir marschierten

nun kräftig drauflos und kamen nach

Silvaplana am gleichnamigen See

vorüber. Nach einer kräftigen Stärkung

ging es durch einen schönen Wald nach

St. Moritz! Nur kurz besichtigten wir uns

dieses und gingen dann weiter durch

schönen Wald nach Ponte Resina [Pontresina]!

Der Himmel hatte sich inzwischen getrübt und

fing es an z. regnen sodaß wir nur den

Rosegg-Gletscher ud. die Landquartkette

sehen konnten.

Im weißen Kreuz waren wir sehr gut

aufgehoben. Ich mußte mich entschließen die

Nacht hier zu bleiben und meine Langnord-

Tour des schlechten Wetters halber aufzugeben.

Mein Begleiter und ich machten am andern

Tag einige kleine Kletterparthien und ent-

puppte sich derselbe als "Reserve Premier

der Husaren, Freiherr von Anart [?] aus

Meklenburg mit dem Titel: Landrath.

Er war ein trefflicher Herr ud. hatten wir viel

Spaß zusammen. Ich fuhr allein dann nach

Sermaden [Samedan] woselbst ich einen Würzburger Studenten

traf worüber ich mich sehr erfreute.

Von hier ging ich zu Fuß dem Albula Pass [1866 eröffnet] zu

und bestieg von hier den Piz Albula von wo mir

eine prächtige Aussicht zu Theil wurde.

Dann zog ich weiter über das großartige

Trümmerfeld des Piz Giumels [Dschimels] über die Albula

Quelle nach Weißenstein [Crap Alv] und von da nach

Bergun [Bergün] wo ich im Kreuz bei netten Leuten ein

kehrte.

Von hier weiter an Bellaluna vorbei

woselbst ich mich in Wald legte u. herrlich schlief [?]

Nach dieser Stärkung ging es auf einem

Fußpfad nach Bad Albena [Alvaneu Bad]. Die Ruine

Greifenstein war sehr schön sichtbar. Dann

weiter nach Tiefenkasten [Tiefencastel].

Hier war das Wetter wundervoll klar und

langte ich ganz vergnügt Abends 1/2 8 Uhr in

Thusis an und hatte einen Weg von 14

Stunden zurückgelegt.

Ich begab mich sofort in das Hôtel woselbst ich

v. Würzburger Herr erwartet wurde.

Am anderen Morgen 1/2 5 Uhr zog ich weiter über

die Sollabrücke [Punt da Solas] hinüber auf die Viamala!

Auf dem Känzeli hat man prachtvollen Blick

auf den Heinzerberg [Heinzenberg], Ringelspitze etc.

Ich ging weiter nach Rongella [Rongellen] im Schamser

Thal, und kommt bald über enge Schluchten

und Brücken vor deren Abgrund man

sich fürchten muß.

Bis nach Fillis [Zillis] prächtiges Thal mit vielen Ruinen!

Dann über Thusis mit der Post nach Chur.

Vor lauter Staub und großer Hitze war die

Fahrt eine recht unangenehme.

Von Chur mit der Bahn, am schönen Wallen See [Walensee]

vorüber, nach Wesen [Weesen] d. [dann] Rapperschwyl [Rapperswil] wo

mich Paula Glanner [?] erwartete. Nach 1 [?] Stund

Aufenthalt ging es weiter nach Zürich wo ich

von Freund Steinmeyer begrüßt wurde,

und von hier dann direkt nach Luzern!

Hier ging ich wieder vergnügt an die

Arbeit mit schönen Erinnerungen

bereichert.

 

Bestiegen von A. Hölzle am 26. Juli 188

S.A.C. D.OE.A.V.

Besteigung des Zinal-Rothorns 4223 meter

von Zermatt aus.

26. Juli 1880.

 

Wer je schon das Thal hineinwanderte das von

Viège, Vispach der Visp entlang hinein nach

Stalden, Nikolausen [St. Niklaus], Taesch ud. Zermatt führt

u. von da sich über dem Riffelberg nach dem

weltbekannten Gornergrat 3138 meter tummelte

ud. dabei einen recht schönen Tag hatte, dem ist wenn

er seiner Augen von der furchtbar jähen Mauer

des fast erdrückendnahen Matterhorns nach

rechts schweifen ließ, die massive Dent blanche

ud. dann das Gabelhorn mit dem steilen

Zinal-Rothhorn aufgefallen.

Unwillkürlich bleibt aber der Blick ausnahmsweise

auf dem Matterhorn, 4482 meter, ruhen.

Wie sollte aber auch nicht, dieser imposante

Berg, dem an Formschönheit, an überwältigende

Steilheit an unübertreffliche Majestät kein

Berg zur Seite gestellt werden kann, einen

unauslöschlichen Eindruck machen.

Unwillkürlich erfüllt ein gewisser Schauder ein

zaghaftes Herz, wenn es daran denkt: welchen

Gefahren der Mensch ausgesetzt ist, wenn er den-

selben besiegen will.

Und doch wie oft wird derselbe jetzt bestiegen,

seitdem man das, unbezwingbar scheinende

Ungethüm in Fesseln gelegt.

30-40 Expeditionen gelten jährlich dem Matterhorn.

Rechts von demselben stehen 3 faltige Kerls

denen an Schwierigkeit das Matterhorn kaum

das Wasser bieten kann.

Zinal Rothorn, Tête blanche, Weißhorn

heißen die Ungethüme, die noch nicht in Fesseln

gelegt. Von diesen habe ich mit viel Glück

das Zinal-Rothorn erstiegen, welches nach

Professor Bruno Wagner, der schwierigste

Berg der Alpenwelt sein soll! --

Also wanderten wir am herrlichen Abend des

26. Juli 1880 um 6 1/4 Uhr mit Bickel [Pickel], Seilen [?]

ud. gewaltigen Bergstöcken bewaffnet.

Aloys Polinger [Alois Pollinger1)] von St. Nikolausen [Niklaus], ein Mann

von tatkräftigem Aussehen ud. hellen Augen,

den Gott zu einem kühnen, thatendurstigen

Helden geschaffen hat u. der voll Energie

seiner gefährlichen Aufgabe gewachsen war,

1)https://de.wikipedia.org/wiki/Alois_Pollinger

der aber auch ein Herz hat, treu wie Gold, und

einen Scharfblick wo es gilt.

Er ging voran - ich war der 2te.

Wir stiegen hinauf die Halden ab Zermatt

verabschiedet vom Hôtel Seibert seinen Bewohnern.

bis zur Brücke über die wild in eine finstere

Schlucht tobende Trift, dann gings einen steilen

Waldweg hinauf und als wir wieder auf das

rechte Ufer des Triftbaches kamen, gab's eine

ziemlich beschwerliche Kletterei.

Aloys sprang einen Tritt hinab, auf einen

Felsvorsprung, ich ohne mich zu besinnen

nach und während des Abspringens

empfand ich einen ziemlich starken Ruck

am Knie, hervorgerufen durch ein hervor-

springendes Felsstückchen, dies schmerzte

eine zeitlangs wurde aber nicht weiter

beachtet!

Es ging nun an einer an Edelweiß reichen

Wiese vorüber und über halsbrecherische

Parthien über den sogenannten "schlechten

Weg" hinauf zur Trift.

Wir gelangten, ehe wir auf die saftig,

grünen Wiesen kamen, auf einen

kleinen Steg auf der linken Seite des Triftbaches.

Auf der Trift waren wir 8 1/4 Uhr angelangt.

Die Dunkelheit war noch nicht hereingebrochen

und konnte man noch prachtvoll, die gegen-

über liegende Gebirgskette in herrlichstem

Alpenglühen bewundern.

Meine Knie Scheibe hatte eine ganz kleine

Verletzung und war etwas angeschwollen!

Ich machte kalte Umschläge!

Pollinger machte inzwischen ein Feuer

und braute Grog, Chocolade etc. und ließen

wir es uns herzlich schmecken!

Die Trift ist ein natürlicher Schutzort für

Rothhorn und Gabelhornbesteiger, es ist eine

weit vorspringende Felsmasse aus welcher

ein frischer Quell hervorsprudelt neben

welchem Heu aufgescheichert [?] ist um darauf

schlafen zu können! -

Wir nahmen keine Teppiche mit, da

Führer von Zermatt uns sagten, es seien

schon welche oben!, die wir aber schlechterdings nicht

finden konnten.

Um 9 3/4 Uhr legten wir uns, in meinen Plaid

eingefüllt auf das Heu, konnten aber trotz

 

des Feuers nicht schlafen, da in einer Höhe von

2378 m. selbst im Hochsommer es Nachts nicht

warm sein kann; besonders in solch direkter

Nähe des Gletschers.

Von Stunde zu Stunde erwachte ich - ich wälzte

mich herum - aber was Wunder daß ich immer

wachte? Kann man schlafen, wenn man

seine Gedanken nur bei dem hat was unser

Tages Ziel werden soll? -

Und vis-à-vis war die Aussicht so schön, daß

trotzdem es Nacht war die Gruppen der

Mischabelhörner b. Monte Rosa von einem

zauberhaften Licht erhellt waren.

Es war prächtige Vollmond Nacht - es lag ein

Lichtschimmer auf den Bergen als ob die frisch

aufgehende Sonne dieselben mit ihren Strahlen

erreicht hätte; ich glaubte mich beinahe in

Tausend und einer Nacht versetzt!

Das schönste war, so liegend wie ich, schien Alles

ganz nahe gerückt zu sein - da sah ich immer

Wandrand auf den Gletschern ja es waren

Feste arrangirt. Alles schimmerte in magischen

Lichte des Vollmonds.

 

Meine ganze Phantasie war thätig und

man hätte sich in ein diamantenes Paradies

versetzt glauben können, wäre nicht manch

Mal wieder ein kalter Luftzug vorbeigesaust,

der einen in die nackte Prosa mit Schaudern

zurück jagte.

Es war eine Nacht, wie ich nie eine schönere erlebt.

Endlich war es 1 Uhr und machten wir uns frei

aus der Gefangenschaft.

Lichter wurden angezündet, ein loderndes

Feuer angefacht, Cafè gekocht.

Schlag 1/2 2 Uhr nachdem aller Proviant behutsam

versteckt, wurde zum Abmarsch geblasen!

Es war so hell, daß wir keine Laterne mitnahmen

u. so ging's fort, vielleicht eine Stunde lang,

über eine alte, grüne bemoste Moräne.

Um 2 Uhr traten wir auf die große Schnee-

Moräne über welche wir 1 Stunde traversiren

mußten.

Sie bildete eine Masse erdiger, steiniger,

Schuttauswürfe die einen auf, beiden Seiten,

furchtbar tief abfallenden Grad bildeten.

auf diesem Grad, der nur Moräne, wo alles

 

noch locker auf einander lag mußten wir alles

marschieren! --

Wie wir auf der Moräne waren und wir schon

ordentlich Licht hatten sahen wir im [?]

schwarzen Triftbachthal langsam, aber deutlich,

ein rothfunkelndes Teelicht heraufschwärmen.

Was war das ? ? --

Ich erinnerte mich, daß ein Führer in Zermatt

sagte: sie mußten auch den Gang Nachtes [?] herauf

das Trifthal!

Sie blieben lange in gleicher Entfernung

bis endlich auch sie zur Moräne kamen; ihr Teelicht

in einem Felsen vergruben, was mir in

Gestalt einer Laterne im Abstieg bemerkten!

Um 3 Uhr traten wir völlig auf dem Rothorn-

Gletscher über und suchten uns in einem

mächtigen Steinverließ, auf 1/2 Stunde,

wohnlich und bequem einzurichten!

Wir nahmen wenige kräftige Schlücke

und da dies ziemlich kalt war, etwas Cognac

dazu.

Ich vergaß aber Essen & Trinken als ich mich

nach Osten wendete und den matten Schein

bemerkte, der den frischen Morgen

ankündete.

 

 

 

Wir waren etwa 3400 m. hoch!

Erst beim Aufstieg auf die Moräne kam nach &

nach das Matterhorn in seiner ganzen,

furchtbaren Gestalt, mit den sich anreihenden

Riesen zum Vorschein.

Aber hier war die Aussicht ganz brillant!

Sämmtliche Zermatter Berge kamen zum

Vorschein und in diamantener Majestät

daneben das Weiß-Horn!

Am Monte Rosa sah man einen regenbogen

farbigen Streifen zum Lyst-Kamm [Liskamm]

hinüber senden; bis endlich alles in das

zarte Rosenroth getaucht war, das das Erwachen

der Sonne ankündigt!

Ein solcher Moment ist der Glanz Punkt des

ganzen Tages und ist es begreiflich, daß

solcher zu sehen die meisten Touristen

vor Sonnen Aufgang auf die Berge zieht.

Die Schneeberge werden durch sie in ihr reines,

weißes Kleid gekleidet - auch wir wurden

wohlthuend von ihr erwärmt und

lenken dann unsern Schritt wieder

weiter! Drunten schläft Alles noch,

selbst die Natur! --

"Nun vorwärts!" ruft Pollinger.

Jetzt ging es weiter, an hartem Fels vorstoß

entlang über den Gletscher.

Cravasse [Spalte] wurde überhüpft und nun stehen

wir an einem fast senkrechten Stein-

Massiv an dem wir uns emporarbeiten

müssen.

Es ist keine Kleinigkeit! Denn die senk-

rechten Platten sind vereist und wo ist ein

Halt für den aufzusetzenden Fuß? --

Pollinger weiß wie immer Rath ud. so gelangen

wir glücklich auf den oberen Rothorn Gletscher

dem Eseltschuggen vis-à-vis!

Pollinger haut Staffeln und nach 1/2 stün-

diger, riesiger steiler Kletterei stehen wir

auf dem schmalen Grat der dem Rothhorn

vom Hohlicht-Gletscher trennt!

Ich glaube wir wären oben auf Zinal-

Rothorn, da zeigte mir Pollinger

hinauf zu einer schauer - erregenden,

jäh-abstürzenden Pyramide:

"Schauen Sie, das ist unser Ziel!"

Mir fing nun an zu gruseln! -

Aber was nützte es! Wir mußten hinauf!

Es war 5 1/2 Uhr! beinahe 3900 m. waren wir

hoch und da der Platz hier günstig, ruhten wir

aus!

Wer macht sich einen Begriff von diesem

Panorama? --

Nach Osten war die ganze Mischabel-Kette

von Fuß bis zum Scheitel - sämtliche Spitzen

bis zum Monte Rosa ud. von dieser Gruppe

Alles sichtbar bis zum Matterhorn!

Darüber hinaus lag die lombardische Ebene

man sah deutlich die Seen, Mailand,

Verona und hinterdem Valle' d'Aosta

waren sehr deutlich die Conturen des

Apenins, besonders klar ud. deutlich der

Monte Viso 3800 m. sichtbar.

Rechts schloß sich die großartige Kette der

italienischen Alpen wo sich besonders der

Grande Paradiso [Gran Paradiso], durch seine herrliche

Gestalt auszeichnete.

In diese Gruppe schließen sich das Valle' d'Aosta

begrenzende Riesen die ganze Gruppe

des Mont Blancs, der sich durch seine

eingehende Gestalt auszeichnet.

 

 

 

 

 

Dann kommen die Savoyer Berge, von

denen besonders Mont Buët, der vielgezackte

Dent du Midi, die Cornettes de Bise, Gramont [Grammont],

erkennbar sind! Am Fuß des letzteren läßt

sich ganz deutlich ein Theil des Genfer Sees erkennen

und darüber zieht sich der Jura hin, dem sich als

eben noch sichtbare Conturen des Schwarzwalds

anschließt!

Ganz prächtig treten zum Vorschein:

Eiger, Mönch, Jungrau, Blümlisalp,

Aarhörner, Finsterarhorn, Aletschhorn mit

den Grindelwaldner u. Walliser Vischerhörne [Fiescherhörner],

über diese hinaus sieht man Conturen der

Vierwaldner Berge.

Auch Säntis kommt zum Vorschein, Tödi

Schlerhorn [Schärhorn?] u. Oberalpstock.

Ganz im Hintergrund, aber noch sehr gut

sichtbar sind die Graubündner Alpen

ud. das ganze Engadin, von denen haupt-

sächlich die Bernina-Gruppe sehr gut erkenn-

bar ist!

Das großartigste Bild ist aber trotz allem

der Theil zwischen Breithorn und Brunegg-

thal!--

 

 

 

 

Das Matterhorn liegt zum Erdrücken nah, da

es in seiner mächtigen Gewalt nicht minder

ist als [?] die Dent Blanche, die mit immenser

Gewalt Alles zu erdrücken droht; dann das

Grand Gornier [Cornier] etc. --

Das Gabelhorn sendet steil emporstrebend

seine Zacken gen Himmel und das Weißhorn

dominiert als König die Zinalkette! --

Den imposantesten Anblick bietet aber von

hier das schauderhaft, große wilde Zinalrothorn.

Dieses hat nicht umsonst seinen Namen,

denn die kahlen, rothbraunen Platten, die

durch alpinen Kitt aufeinander geklebt sind

ud. zwar so, daß sie einen mehr als 500 Meter

hohen Riesenthurm bilden, der nur auf die

allerschwierigste Art zu erklimmen ist! --

Der Thurm ist so steil, daß kein Schnee daran

zu hangen vermag und die Platten sind

aalglatt und sehr gefährlich, wenn sie vereist

sind!

Ungeheuer großartig ist aber das Gletscher-

Meer, das rings um, wie eine mächtige

Insel das Zinal Rothorn umgeben.

Kehren wir endlich wieder zurück zu unser

Besteigung. Wir überklettern nun 1 1/2 Std.

lang, den auf beiden Seiten sich abstürzende

Grat, auf dem nur Platz für je ein Fuß vor

den andern gestellt werden, da unmöglich war

beide Füße auf einen Platz zu stellen.

Endlich waren wir an der sogenannten

Gabel angelangt und nun gab's ein

schweres Stück Arbeit indem wir ein Kamin

hinauf zuklettern hatten von mehr als

60% Neigung, ausgefüllt mit Eis ud. Schnee

etwas [?] 60' lang.

Pollinger voraus - haut tüchtig Stufen;

ich nehme dann allemal festen Standpunkt

ud. erst wenn Pollinger wieder festen Fuß

hat, folge ich nach; oben springen wir

nach links über -- und die Gabel ist

erreicht.

Diese besteht daraus, daß hier wo wir stehen,

eine tiefe Einfaltung ist; zu beiden Seiten

hinauf sich die Felsparthien emporrichten.

Da, wo wir auf den schauerlich, tiefen

Moming Gletscher hinabblickten, der wie

ein furchtbar gähnender Abgrund vor uns lag,

steigen wir hinauf!

Wir nehmen kurzen Halt, dann ging's aufwärts.

Wir steigen Platte um Platte empor, da müssen

wir auf der Südseite der Pyramide umbiegen.

Aber hier sieht es schlimm aus, meint Pollinger,

die Steinplatten sind vereist und wir wagen

viel wenn wir beginnen.

Nun heißt es alle Kraft zusammen nehmen

ein Fehltritt und -- beide sind verloren!

Fast wollte mir der Muth sinken - aber

dennoch wird gewagt!

Eine Platte ist erklettert und siehe! es geht!

Ich bin ja schwindelfrei - dies seh ich hier am

besten; da die Platten [Biner-Platte] fast senkrecht stehen,

sieht man direkt hinab auf den 3000 Fuß unter

mir liegenden Gletscher.

Die Angst ist geschwunden und hinauf geht's!

Manch Mal mußte ich 10 Minuten warten bis

ich Pfad gefunden, aber da erstarrte ich fast zu

Eis! Es waren wenigstens 24°/ unter Null.

Ein furchtbar kalter, zwar nicht sehr heftiger Wind

wehte und so lag ich, ohne mich rühren zu dürfen,

den ganzen Körper fest angelegt, mit den Händen

oben angeheftet beinahe 10 Minuten da!

Denke ich an diesen Moment könnte mir jetzt

noch beinahe, das Blut in den Gliedern erstarren!

Endlich schreit Pollinger: auf!!

Ich sage: nur langsam! vorher müsse er mich

halten, damit ich meine erfrorenen Finger etwas

reiben könne.

Ich rieb etwa 10 Minuten, kaum wollte das Blut

wieder in Fluß kommen!

Dies war wohl der gräßlichste Moment, den ich je

erlebt.

Endlich geht es wieder vorwärts!

Da kommt eine Platte, die nach unten Platz hatte

um einzugreifen; also den Körper herunter ge-

bückt mußte ich eingreifen um festan fassen

zu können.

Jetzt stehen wir um 8 3/4 Uhr am berüchtigten

"Känzeli" [Kanzel] und hart gegenüber ragt der letzte

Zahn das Rothorns fast in den Himmel hinein!

Das Känzeli ist ungeheuer schwer zu passiren.

Man denke sich eine senkrechte Felswand mit

oben überhängenden Vorsprung, nicht ganz

in Manneshöhe und unten auch einen Vorsprung,

vielleicht 3 Zoll breit, u. diese Wand [Band des Gendarm] etwa 15

Schuh lang! --

Diese wäre unmöglich zu passiren ud. ich wollte auch

absolut nicht: da wies mir Pollinger die rechte

Fährte.

Ueber der oben überhängenden Parthie hat

die Natur einen, von einem z. anderen Ende

gehenden Einschnitt gemacht; so kann man mit

den Fingern sich halten, den Oberkörper einwärts

gedrückt, hinüber balancieren!

Ich sah zwischen meinen Füßen hinunter,

aber -- das war schauererregend!

Von mir aus war auch nicht ein Atom

vorstehenden Felsens sichtbar; eine senkrechte

Wand stürzte bis auf den 2000 meter unter mir

liegenden Hohlicht-Gletscher.

Nach Bruno Wagner ist dies die größte und

zugleich entsetzlichste Probe von Schwindelfreiheit.

Sie war erprobt; nach 10 Minuten geringer

Kletterei stunden wir

Mittwoch den 27. Juli 1880. 9 Uhr Morgens

auf der höchsten Spitze des gefährlichen und

gefürchteten Zinal Rothhorn, 4223 Meter hoch.

Eine Visitenkarte, die ich, der zu diesem

Zweck hier verpflanzten Champagner-

flasche einverleibte, wird meine Ankunft hier

bestätigen!

 

 

 

Kurz war der Genuß, der mir zu Theil wurde.

In noch viel ausgedehnterem Maßstabe lag das

oben erwähnte Panorama vor meinen Füßen!

Es waren Momente des reinsten Glückes, das

ich hier genoß; entrückt der Prosa menschlicher

Nichtigkeit lebt man in solchen Momenten

doch [?] ein ganzes Dasein edleren, besseren Seins.

man lebt nur für Eines -- für die unendliche

Macht der Natur!

Es war herrlich! --

Pollinger treibt -- wir müssen eilen, denn

Steinschläge drohen zu kommen; die sehr

gefährlich werden können -- deßhalb rasch vorwärts!

Rasch ging es abwärts, noch Mal den schönen

Bergen ein "Lebe wohl" zurufend.

Es ging wider Erwarten gut.

Um 9 3/4 Uhr brachen wir oben auf und in un-

gefähr derselben Zeit wie aufwärts gelangten

wir in die Gabel.

Hier hatte uns die andre Parthie erreicht und

nach kurzem Gruß ging es weiter!

Pollinger hatte Recht! Unangenehm

prasselten die Eiszapfen in die Tiefe, oft hart

an uns vorbei; ein Glück, daß Keiner

getroffen wurde!

 

 

 

Als ich den Kamin hinab wollte rutschte ich

etwas aus, wurde aber rasch von Pollinger

zurück gezogen; in demselben Moment glitschte

mein alter, treuer Begleiter - mein fester Bergstock,

mir aus den Händen u. prasselnd ging's in die

Tiefe! Er war verschwunden für immer!

Glücklicherweise wurde uns von der Parthie,

die im Aufsteigen war, aufmerksam gemacht,

daß einen [?] Platz ein "Eisbeil" sei - wir könnten

es mitnehmen.

Wir fanden es und diente es mir zur Stütze!

Rasch ging es über den Grad und um 12 Uhr

waren wir auf dem Ausgangspunkt, wovon

ich die Aussicht schilderte!

Nachdem Alles eingepackt ging es riesig

rasch abwärts!

Auf dem Rothhorn Gletscher hatten wir

2 weit glaffende Gletscherspalten zu übersprin-

gen! wo äußersten Vorsicht nöthig.

Dann hinab über die Moräne und

um 2 1/2 Uhr waren wir wieder in Trift!

Nach 1/2 stündigen Rast ging es abwärts!

Pollinger versprach ich ein gutes Trinkgeld,

wenn er mir viel Edelweiß sammle!

 

 

Da gab es nun ein Suchen und nach 1/4 Stunde

hatten aber auch beide, alle Hände voll der schönsten

Exemplare.

Mit schöner Beute reich beladen ging's die

schwierigen Pfade dem Triftbach entlang

hinunter nach Zermatt!

Ueberall hieß man uns willkommen und

nun ging es in Monte Rosa

zur wohlverdienten Mahlzeit.

Pollinger hatte ich so lieb ge-

wonnen, daß wir wie zwei

alte Freunde uns auf dem

ganzen Weg unterhielten.

und es uns jetzt auch wohl

sein ließen.

Ich schickte zr. [zur] Post die

Pflanzen nach Hause und

[Foto: Hôtel Monte Rosa]

nachdem wir tüchtig gestärkt

ging es St. Nikolausen zu.

10 Minuten vor Zermatt zahlte ich

Pollinger aus und vermöge seiner wahrhaft

treuen Dienste gab ich ihm 30 Frcs & 4 Frcs Trinkgeld.

Wahrlich 80 Frcs ist nicht zu viel für diese

Tour, hätte ich übrig Geld gehabt --

er hätte mehr erhalten. Als alte Freunde schieden

wir uns gegenseitig Wiedersehen! versprechend.

Ich konnte einen Retour Wagen benutzen

ud. gelangte so nach St. Nikolausen.

Mein Fuß war durch die riesige Tour stark

geschwollen u. heute am 27 Nov. 1880

schreibe ich liegend im Catharinenspital

zu Stuttgart diese schöne Erinnerungen

wieder.

Es wird wohl die großartigste Leistung

sein, die ich je im Leben habe machen können.

Winter - Excursionen 1879.

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Parthie auf den Rigi im Dezember.

Allein ohne Führer. Wind N.W. furchtbar kalt.

Von Weggis Morgens 1/2 6 Uhr abmarschiert,

bei stockfinsterer Nacht und sehr dichtem Nebel.

Weg bis zur Kapelle theilweise sehr unangenehm

da der Weg voll Eis!

Daher große Vorsicht nöthig.

In Rigi Felsenthor wundervolle Winterlandschaft

mit riesigen Eiszapfen! -

 

 

[Bild: Bergbahn bei Rigi Kaltbad mit Berner Oberland im Hintergrund (links) und Pilatus (rechts).]

 

 

In Kaltbad war der Nebel gewichen und die

Aussicht auf kurze Zeit wundervoll!

Bei Xaver Zimmermann, Kaltbad - Bote [?],

wurde Halt gemacht. Dann sehr schweren

Aufstieg bis Staffel; theilweise gefährlich.

In Staffel war alles in Nebel gehüllt.

Der Wind blies 17 Grad kalt äußerst stark,

so daß ich kaum fortkommen konnte.

Von Kulm bis Klösterli 10 Minuten.

Von da nach First und Abstieg nach Viznau!

Theilweise war größte Vorsicht nöthig!

 

Februar 1880.

I. Mißglückter Versuch des Mont Tendre.

1668 meter.

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In Cossonay colossalen Nebel; welcher vor

Pampigny endete.

Montricher prachtvolles Wetter!

Unten enormes Nebelmeer und hier oben sehr

klar, Berge brilliant sichtbar.

Von Montricher stieg ich hinauf die Straße zu

dem Chalet! --

Nach 1/2 stündiger Steigung hörte Weg auf

und nun mußte ich stundenlang oft bis über

die Knie in den Schnee einsinkend fort-

marschieren, was ungeheuer schwierig war;

nach beinahe 2 stündiger Steigung sah ich ein,

daß es ganz unmöglich weiter zu kommen und

kehrte um nachdem ich eine Höhe von 1380 m.

erreicht!

Trotzdem sehr schön gewesen!

 

Februar 1880.

II. Mißglückter Versuch des Mont Tendre.

1668 meter.

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In Cossonay Nebelmeer! Montricher prachtvoll

klar! Dort übernachtet!

Aufstieg Morgens 6 1/2 Uhr; bei prachtvollem

Sternenhimmel Föhn.

Aufstieg bis Chalet neuf 1580 m. theilweise

sehr schwierig.

Hier riesige Schneewände, die ich zu

überklettern suchte, was unmöglich war;

So mußte ich wieder umkehren.

der Sonnen Aufgang Morgens war

splendid [?] wundervoll!

In Chalet Mittag gemacht; und nach Cossonay.

Sonntag 11 Stunden gemacht [?] und davon

6 Stunden in weichem Schnee!

In Montricher zeigte das Thermometer

mehrere Grad Minus & konnte ich mich

an der Sonne wärmen.

 

März 1880

III Versuch und Gelingen des

Mont Tendre 1668 meter.

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Abmarsch von Cossonay Mrgs [Morgens?] 6 Uhr! herrlicher Morgen

nicht sehr kalt. In Montricher 8 1/2 Abmarsch 10 Uhr

Aufstieg günstiger. Der Schnee bis Chalet neuf

beinahe ganz geschmolzen.

Vor noch ganz schwierige Parthien bis auf

Mont Tendre dessen 4 Spitzen ich machte!

Aufstieg ging ordentlich rasch, so daß ich 1 Uhr

auf der höchsten Spitze vom herrlichsten Wetter

begünstigt war. Angenehm warm.

Abstieg 3 1/2 Uhr der mich aber ungeheure Mühe

kostete und theilweise zur Verzweiflung brachte.

Der Schnee war rasch weich geworden ud. da es

hier eine Masse Ranmes [?] gibt, sehr gefährlich.

Ich verlor über 1 Stunde meine Spuren und

war es daher sehr gefährlich.

Manchmal sank ich so ein, daß ich glaubte

in einem solchen Ranmes [?] z, stecken!

Doch es ging. Gottlob, alles gut ab.

12 1/2 Std. stramme Tour.

Februar 1880.

Dent du Vaulion 1500 m.

Morgens 6 Uhr Abmarsch v. Cossonay, prachtvoll

Klarer Himmel! In 2 Stunden über den

Jura - Pass mit viel Schnee, nach Molendry [Mollendruz].

Von da hinunter zu d. Près [Pré?] au Part und

von hier bei günstigem Wetter auf Dent de

Vaulion. Besteigung in einer Stunde gemacht.

Oben hielt ich mich 3 Stunden auf.

Abstieg, manchmal tief einsinkend,

nach Vallorbe zu den Orbequellen

prachtvoll!

10 1/2 Stunde unterwegs.

 

5ten März 1880 Karfreitag.

Mont Suchet 1596 meter.

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Morgens 4 Uhr Abmarsch in Begleitung von

Herrn Epéron, Instituteur in Cossonay.

Wundervolle Vollmondnacht!

Sonnaufgang bei Latorray [La Sarraz?]!

Marsch nach Croix [Croy], Cleefs [Les Clées], Lingerolle [Lignerolle], Mt. Suchet.

hier noch wenig Schnee aber theilweise kalt.

Aussicht prachtvoll!

Abmarsch 12 Uhr, Aiguille de Baulmes,

schwieriger Aufstieg um 12 1/2 Uhr.

Abstieg 1/2 2 Uhr nach St. Croix. u. Covatana schlucht [Covatannaz].

über Yverdon zurück.

Sehr schöne Tour 16 1/2 [?] Std. unterwegs.

 

6. April 1880.

St. Croix. Vallée de

Creux de Vent [Creux du Van] 1540 m [1464 m].

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Himmel nicht ganz klar! Mit Zug nach

Grandson! Von da nach Giez, unterwegs

starkes Gewitter!

Durch die Covatanschlucht [Covatannaz] hinauf auf

St. Croix, woselbst ich übernachtete.

Andern Morgen bei driesigem [?] Nebel, so daß ich

meine Chasseron-Tour nicht ausführen

konnte.

Ich stieg hinauf nach Prixes [Prises?; heute les Praises] 1260 m. wo ich

meine erste Gentiana acaulis [Kochscher Enzian] fand!

Dann hinunter das herrliche Vallée de Travers [Val de Travers],

durch die herrliche Schlucht von

nach Buttes Fleurier Mottier [Môtiers] Conet [Couvet] Travers.

Von da riesig steil hierzuhoch [?] chez la Favres [Favre]

und dann auf weiten Weg Croix de Vent [Creux du Vent, heute: Croix du Van]

passierend hinab nach Provences & St. Aubin!

Morgens heftiges Gewitter.

Schöne Tour. 11 1/2 Std. stramm marschiert.

7ten Mai 1880.

Tour auf den Dent du Midi

westliche höchste Spitze Mont Tschallan [Dent de Tschallan, heute: Haute Cime] 3280 m [3275 m].

ausgeführt mit meinen Freund A. Kuhn, Hottingen

u. Führer Maurice Chaillet, forestir [?] Champery.

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Abmarsch von Vernayaz 8 Uhr. Ankunft Salvan [Les Granges (Salvan)] 9 1/2 Uhr.

Abgang Salvan 2 Uhr Envonkont [En van haut?] 3.30.

Temperatur: Bei Sealvanf. [Salvan?] 10°/ Gipfel Tschallan + 2°/

Windrichtung: Selvanf. [Salvan?] 5,40. Fuß v. Tschallan 7 Uhr.

Abstieg von Gipfel: 1 Uhr 30 in Cheminée 2 Uhr

Aussicht: die Savoyer Alpen mit Dent d'Oche etc.

Retour: nach Vernayaz und mit Bahn nach Montreux

Sehr schöne und lohnende Tour

 

17. Mai 1880.

Rochers de Naye 2044 meter.

mit Freund A. Kuhn, Hottingen, ausgeführt.

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In Montreux übernachtet. Morgens 4 Uhr Abmarsch

jeder mit Proviant von Villeneuve!

Prachtvoller Morgen. N.W. Wind.

Glion 4 1/2. Beim Wegzeiger 6 Uhr.

Rechts ab an den Sennhütten vorbei und

auf sehr gutem Weg bei schon ordentlicher

Temperatur bis an den Fuß!

Von da theilweise über Schnee auf dem Grat

und dann hinauf auf den Gipfel.

7 1/2 Uhr dort angelangt bei prachtvollem Wetter!

Wir trafen dort lustige Deutsche.

Aussicht auf den Gipfel, großartig! -

Es war fast ganz klar. Kleine Wolken zogen an

der Montblanc-Kette herauf.

Bei 10°/ Wärme lagerten wir uns oben.

Bald mußten wir leider fort

9 Uhr Abmarsch 10 1/2 in Montreux.

12.,13. Juni 1880.

Tour in die Savoyer Alpen.

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Samstag 12. Abreise von Cossonay 1 Uhr Mittags Ankunft.

bei schlechtem Wetter in St. Gingolph, französisch

Ufer am Genfer See.

Von da über Granges à Nawe-dessous [?] nach

Novel. Es regnet heftig u. marschierten wir durch-

näßt bis auf die Haut in Nawe [?] ein!

Bei gutem Feuer trockneten wir uns!

Nach der Mahlzeit ging es zur Ruh auf Heu!

Alles schlief recht schlecht, da es sehr kalt war.

Morgens 4 1/2 Uhr auf! es regnete fort!

4° Wärme! um 5 Uhr hörte der Regen auf ud. um

6 Uhr war das Wetter ordentlich.

Ich ging allein auf Dent du Viliand [Dent du Lan/Veland] 2084 m.

Dann herunter dem Paß zu nach Bise nach

Lac de Tanney [Taney]. famoses Wetter!

 

18, 19. Juni 1880.

Tour auf den Tour d'Ay [d'Aï] 2383 m.

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Bei zweifelhaftem Wetter Abreise nach Aigle

von Cossonay aus. In Aigle regnete es bereits,

jedoch schien es gewitterartig zu sein.

Aigle übernachtet. Morgens 4 Uhr bei Regen

nach Yvorne nach Aux blanches [heute: Boveau]!

Regen hier aufgehört aber sehr neblig.

Von la Praille nach Luan, alle Sennhütten

geschlossen angetroffen. 7 Uhr steil hinauf

nach Chalet d'Ay 9 1/2 Uhr Regen aufgehört.

Dann sehr schwieriger Aufstieg durch zwei

Kamine nach Tour d'Ay; eine famose Gemse

gesehen und ganz weiße Gentiana verna [Frühlings-Enzian] gefunden.

Abstieg 12 Uhr nach Aigle zurück.

 

13. 14. Juli 1880.

Tour auf die höchste Jura-Spitze

" la Dôle 1681 m.

allein ausgeführt.

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Cossonay ab 1 Uhr Mittags bei sehr gewitterartigem

Wetter. In Morges riesiger Regen mit Hagel.

Ankunft 2.30 in Nyon, sehr heiß aber kein Regen

mehr. Abmarsch 3 Uhr. Ankunft im Chalets auf

dem Fußweg 8 Uhr Ankunft auf Dôle 8 3/4 Uhr.

Auf nordwestlichen Abhang Edelweiß gesucht.

Die schönsten Exemplare gefunden.

Genève lag wunderschön beleuchtet.

9 1/4 Uhr bei stockfinster Nacht Abmarsch von

la Dôle durch das ziemlich gefährliche Kamin.

In Chalet übernachtet beim Trinttires [?].

Morgens 3 Uhr z. Sonnen Aufgang auf la

Dôle. Es war ganz wolkenlos, klar ud. wundervolle

Aussicht.

Abstieg 5 1/2 Uhr Ankunft in Nyon 8 Uhr. -

12. Mai 1882.

Hochzeits - Reise nach Mailand.

27. Mai 1889.

als neues Mitglied des D.O. Alpenvereins

Section Schwaben:

Vorstand Herr Landgerichtsrath Hermann

" Cassier Kurtz

" Sekretär Retzler [?],

und noch etwa 40 Mitglieder.

In Plochingen war große Vorstellung.

Bei herrlichem Wetter fuhren wir bis Süßen.

Die Donzdorfer Straße entlang über die

Hürbelsbacher Waldkapelle durch herrlichen Wald

auf die Ruine Scharfenstein [Scharfenberg?].

Hier hatten wir wundervolle Aussicht.

Dann ging es abwärts auf die KuchAlp [Kuchalb] und

Hohenstein, famoser Aussichtspunkt!

Auf Kuchalp gevespert. Hier trafen wir mit

Section Ulm zusammen.

Abwärts dann nach Eybach - Mittagessen. -

von da durch das Felsenthal auf Oedenthurm

nach Geislingen.

Weg sehr interessant.

Nach herzlichem Abschied in Plochingen

ging es nach Hause sehr befriedigt.

10. August 1883.

Tour ins Montafon.

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Bei schlechtem Wetter Abfahrt von Kirchheim.

Das Rundreisebillet lautet:

(Reutlingen, Ulm, Glarus, Zürich, Schaffhausen

Reutlingen Plochingen.)

In Ulm wurde ich v. Freund Lenbe [?] erwartet.

Abends traf ich auch Freund Kleinknecht.

Bei prachtvoller Mondnacht 10 Uhr in Friedrichs-

hafen angekommen, bei Ranck [?] logirt.

Samstag früh bei trübem Wetter 5 Uhr Abreise

nach Rorschach. Mit dem Zug weiter durch das

Rheinthal nach Serete [?] wo ich H. Pfarrer Steger

bestellte.

Ich traf hier mit Freund Kuhn v. Zürich

zusammen und dann gingen wir beiden

über Feldkirch nach Bludenz 12.24. Ankunft

hier in der Post restaurirt. Dann Aufbruch bei

herrlichem Wetter nach Risand [Brand?] durch wildes

Thal nach Lünersee Clubhütte. Hier 7 1/2 Uhr Ankunft.

9 Uhr legten wir uns schlafen.

Morgens 1 Uhr Abmarsch über ewigem Schnee

auf Kuppe der Schesaplana.

Der Blick von der Scesaplana [Schesaplana] auf die Rhein Ebene

auf die Tyroler & Engadiner Alpen ist

bezaubernd schön!

Abstieg nach Seewies [Seewis] - Landquart.

Mit Zug Abends nach Näfels. von da aufs

Bockmattli herunter nach Hinter-

Wäggithal und dann nach Siebnen.

Abends nach Zürich

Die Ausstellung besucht, 5 Tage dort gewesen.

Nach Windisch zu Freund Pettermans [?].

Auf der Heimreise auf dem Hohentwiel,

wo ich H. Prof. Fraas [Eberhard Fraas1)?] traf, gewesen.

Es war eine sehr schöne Reise.

 

1) [https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_Fraas]

Juli 1884.

Reise nach Cöln [Köln] mit Else.

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Von hier bis Heidelberg, dort das Schloß besichtigt.

über Frankfurt nach Wiesbaden. Hier Maria

ud. Martha Kammerer besucht.

Ueber Rüdesheim Coblenz nach Köln.

In Königswinter Aufenthalt, auf Drackenburg

beinahe ganz ausgebaut.

Abends 9 Uhr in Cöln. Mit viel Liebe dort

"herzlich willkommen" geheißen.

5 Tag. dorth [?] zugebracht, die unvergeßlich bleiben.

Auf der Heimreise über Mainz Worms,

Mannheim Carlsruhe, Pforzheim.

Hier 1 Tag geblieben, bei Tb.[?] Märcklin

übernachtet.

Von herrlichem Wetter begünstigt

war unsre schöne Reise wirklich gelungen.

21. Juli 1885.

Reise in die Schweiz.

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Dienstag früh mit Else, & unsre l. Tante Emilie v. Stuttg.

abgereist. Es war sehr neblig, doch bald wurde das

Wetter schön.

Von Kirchheim 5 Uhr zu Fuß nach Reichenbach.

Von hier 715 ab nach Ulm. 11 Uhr hier angekommen

holte uns Freund Kleinknecht ab. Morgens die

Stadt besichtigt Mittags auf die "Wilhelmshöhe."

Von hier mit Kahn auf der Donau in die Au

gefahren. Von hier z. Fuß zurück z. Bahn.

6 Uhr Abreise nach Altshausen, wo wir 10 Uhr

ankamen.

Mittwoch. Altshausen besichtigt, das Schloß ist

sehr intressant ist noch königl. Eigenthum.

Abends in der Schloßbrauerei gemüthlich gewesen.

Donnerstag Abfahrt mit Schwägerin Lina

nach Friedrichshafen. Ein herrlicher Tag.

Sofort auf Schiff und hinüber nach Lindau.

Im Hotel Helvetia blieben wir über Nacht.

Um 2 Uhr Mittags fuhren wir mit Dampfer nach

Bregenz (Zollrevision, viel Umstand mit d. l. Tante!)

Beim Bürgermeister stärkten wir uns.

Ich ging mit Else und Lina (Tante machte ein

Mittagsschläfchen!) dem Berg Isel entlang auf den

Pfänder bei gräßlich heißem Wetter.

Um 5 Uhr oben angelangt, war die Aus-

sicht neblig, die Tyroler ud. Allgäuer Berge

waren sichtbar.

Wir labten und lange an dem wirklich herrlichen

Ausblick!

Um 7 Uhr ging's wieder abwärts auf elenden,

holprigen Weg nach Bregenz, wo wir gerade

noch rechtzeitig das Dampfboot erreichten.

In Lindau trafen wir H. Pfarrer Schweizer [?]

welcher v. Kirchheim direkt kam um mit mir

Hochgebirgstouren zu machen.

Nach dem Abendessen ging es gleich zu Bett.

Freitag Andern Morgen 1/2 4 Uhr aufstehen!

(Lina war Abends wieder zurück nach Altshausen.)

Das Aufstehen geschah unsrer l. Tante sauer.

Alles mußte in Eile gehen! und glücklich auf dem

Bahnhof angelangt, war Zollrevision, und unsre

l. Tante hatte den Kofferschlüssel verloren.

Große Aufregung und nur der Güte und

Nachsicht der Zollbeamten hatten wir zu verdan-

ken, daß ohne Revision wir noch beim 3 ten

Zeichen des Zuges seiner Controll enthoben

wurden und athemlos noch in den Zug stürzen

konnten! --

Wir saßen glücklich drinnen ud. fort ging es

das herrliche Rheinthal entlang mit seinen

vielen Ruinen und schönen Blick auf die

Schweizer Berge; über Rankweil nach Feldkirch.

Hier trennten wir uns. Tante Emilie und

Else fuhren Zürich zu und hielten sich dort

einige Tage auf.

Freund Schweizer und ich fuhren die großartige

Arlbergbahn hinauf nach Langen wo der Tunnel

beginnt. Dieser ist 25 Minuten und als

St. Anton erreicht war stand auf dem Perron

mein Collega Lindenmeyer v. Kirchheim.

Rasch ging's Thal abwärts mit prächtigem

Blick ins Rosannathals ud. auf die Eisenspitze.

In Landeck hielten wir im goldenen Adler.

Das Innthal ist herrlich! Zusammenfluß des

Inn und Rosanna.

Nach kräftiger Stärkung ging's nach Strengen!

Hier trafen wir mit Freund Kuhn v.

Zürich zusammen und nun hieß es:

Frisch auf zu Dreien! --

Im Sturmschritt ging es hinab zur Trisanna

unter die großartige Brücke und hinein ins

Paznaunthal, Kappel, Ischgel. Es war ein unend-

lich langer Marsch. Um 1 Uhr bei prachtvoller Vollmond-

nacht erreichten wir Gallthür.

Ein prachtvoller Anblick! --

In Gallthür wurde für Silvretta gerüstet und

Führer Ignaz Lorenz1 engagiert.

Um 2 Uhr ging es fort durch Wiesen und Fels, Stock

und Steinen. Bis wir endlich 4 Uhr todtmüde

die Clubhütte erreicht hatten.

Es war allmählich Tag geworden und wir befanden

uns im großartigen Gebirgs Cyden [?] der Silvretta-

Gruppe (siehe Abbildung)

Links oben thürmt sich in mächtigem Firnen

das Fluchthorn auf

Nun galt - sich auszuruhen.

In der wirklich guten Hütte der Section hatten wir

es uns bald bequem gemacht und schliefen gut

bis gegen 5 1/2 Uhr.

Dann wurde Erbswurstsuppe zubereitet die

uns herrlich mundete.

6 Uhr Abmarsch v. der Hütte hinunter nach d. Gletscher

und dann über den Schnee.

1)http://www.alpinwiki.at/portal/navigation/erst-besteiger/erstbesteigerdetail.php?erstbesteiger=59512

[Bild: Silvrettagruppe. Von J. Weber]

Das war kein Spaß. Der Schnee war durch die

warme Nacht sehr weich geworden ud. deßhalb sehr

schwierige 6 stündige Wanderung.

Wir brachen mehrmals in Spalten ein was

Freund Schweizer sehr genirte.

Wegen dieses weichen Schnees mußten wir

Piz Buin unterlassen.

Sonntag Morgen bei prachtvollen Wetter nach

Lavin hinauf am Schwarzhorn vorbei nach

Fluelapass-Höhe hinab ins prächtige Davoser

Thal.

In Davos-Platz (siehe Abbildung) gingen wir

direkt ins Kurhaus wo ich meinen Freund Metzger

von Kirchheim gleich besuchte (er war schon sehr krank und

starb im Jahr darauf.) Mit diesem aßen wir im Kurhaus

und dann auf die Strela-Paß Höhe.

In Davos hatte uns Kuhn verlassen, welcher wieder

Heim nach Zürich reiste.

Von der Paß-Höhe am Schlierhorn [Schiahorn?] vorüber über

sehr steilen Abstieg hinab nach Langwies.

Frd. [Freund] Schweizer war sehr ermüdet und hatte die Füße

aufgelaufen.

Montag früh bei prachtvollem Wetter heraus und in

1 1/2 Std. nach Arosa. Ein prachtvoller Aufenthalt.

[Bild: Klosters-Platz. Von J. Weber]

Von Arosa ging es auf das Weißhorn wo wir

Edelweiß fanden. Von hier wollten wir direkt absteigen

auf den Weg zum Tiarenna-Paß [?], wo wir so

in Risse kamen, daß ich mich für verloren glaubte.

Es war ein Abstieg auf Tod und Leben.

Ich war allein diesen Weg herunter, Schweizer

war einen besseren mit Umwegen gegangen.

Ich gelangte endlich glücklich unten an, aber mir

kam die Sorge um Schweizer, welcher noch nicht da

war. Diesen konnte ich nirgends erblicken und

fing an zu befürchten er sei gefallen.

All mein Schreien half nichts; in meiner großen

Angst ging ich noch mal diesen fürchterlichen

Weg hinauf, konnte ihn aber nirgends erblicken.

Beim Abstieg begegnete mir ein Hirtenbub den ich

bat mir helfen suchen, es sei Jemand verunglückt.

So nach stundenlangen Suchen erblickte ich tief

unten den Verloren Geglaubten und ganz

glücklich schrie ich ihm zu. Er verstand mich: Er solle

herauf kommen und geht wieder den alten Weg herauf.

Ich eile ihm entgegen und mit Thränen in den

Augen reichten wir uns stumm die Hand.

Was Jeder in diesen Stunden durchlebt läßt sich

nicht schildern, wir aber haben unsern Freundschafts-

bund aufs neue befestigt, wohl für immer! --

22. August 1890.

Reise nach Tyrol mit Bruder Emil u. von

diesem nachfolgends zusammengestellt.

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"Wohlauf! die Luft geht frisch und rein

Wer lange sitzt, muß rosten,

Den allersonnigsten Sonnenschein

Läßt uns der Himmel kosten!"

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So galt es an einem sonnigen August Morgen

als wir, ein par noble fratrum, das eine ein

Apotheker, der andre ein Pfarrer, dem schwäbischen

Meere zufuhren. Wettermantel, Rucksack

ud. Bergstock war unsre Ausrüstung.

Die sorgliche Apothekersgattin hatte noch allerlei

Mundvorräthe für die lange Eisenbahnfahrt

beigepackt und der Apothekerskeller eine Flasche

köstlichen Barolo geliefert -- so wurde uns die

Zeit nicht zu lange -- der Magen nicht zu hungrig.

Unterwegs hatte sich noch ein Dritter zu unserem

Bund gesellt, ein junger stud. Theolog. (dessen

Heimath Kirchheim) der mit wenig Geld in der

Tasche aber mit viel Wanderlust im Herzen

gleich uns dem heilgen Land Tyrol zustrebte.

Das schwäbische Meer war in Sicht! wir packten

unsre 7 Sachen zusammen ud. hinüber ging's

aufs stattliche Dampfschiff "König Karl".

Aber, o was! Während wir 2 Brüder die herrliche

Aussicht bewunderten, Barolo & Schinkenbrot

uns schmecken ließen, ward der junge

Studio zusehends bleich und bleicher, so daß es

dem Butter - Bemmchen [Dr. Quendts Knäckebrot?] mit etwaigem Schinken,

daß er kurz zuvor genossen, alsobald ging, wie

weilend dem Propheten Jona in des Wall-

fisches Bauch.

So waren wir froh, als die Schiffsglocke das Zeichen

zum Aussteigen in Lindau gab.

Wir stiegen aus labten [?] uns noch einmal ehe

es ins östreichische ging am köstlichen bairischen

Bier im kühlen Schützengarten um dann, machten

wir uns das reizend auf einer Insel gelegene

Lindau, dessen Hafeneingang: 2 mächtige in

Erz gegossene Löwen bewachen, noch besahen hatten

wieder zu Schiff zu steigen und vollends

hinüber zu fahren in die östreichische Stadt

Bregenz. Der junge Student hatte am Schiff fahren

genug und in Lindau sich von uns getrennt

um zu Fuß den Arlberg zu übersteigen.

In Bregenz angekommen, war es unser Erstes:

Proviant zu fassen ud. dann noch die kurze Zeit

dortigen Aufenthaltes zu einem Besuch beim "Bürger-

meister" zu benutzen, allwo[ ?] vortrefflicher tiroler

Wein, Leib und Seel ergotzte [?].

So vorbereitet fuhren wir mit Zonenbillet an diesem

Abend noch nach der alten Jesuitenstadt Feldkirch.

Hier in diesem alten, zu beiden Seiten der Hauptstraße

mit Arkaden bebauten thürmereichen Städtlein

nahm uns das Wirthshaus zum "Schäfle" gastlich

und gut auf.

Bei einem biederen Kaufherren, in dessen Laden am

Schaufenster sofort ein Fläschchen "Restitutions-

Schwärze" dargestellt v. der Adler-Apotheke in

Kirchheim u/Teck die Augen des Apotheker-

Bruders auf sich zog, wurde noch ein Bergstock

um 70 Krz. zum Eigenthum erworben.

Der Chauffeur selber, Joseph Häusle mit Namen,

dessen schwäbelnder Name, noch mehr aber dessen

österreichische Gutmütigkeit uns anheimelte,

leistete uns am Abend Gesellschaft im "Schäfle".

Als Freund Häusle auf die Jesuiten zu sprechen

kam, da flüsterte er mir in die Ohren:

"Bei uns steht es schlecht mit dem Unterrichts-

wesen, alles wird v. Jesuiten geleitet!"-

die Gaststube füllte sich immer mehr mit Stammgästen,

die sich beim Wein über alles mögliche unterhielten

und um 1/2 11 Uhr noch ein Kartenspiel begannen,

den getrunkenen Wein heraus zuspielen.

Da sagten wir: gute Nacht und schliefen nach

dem ersten Tag der Reise herrlich, um in

der Frühe des andern Morgens

Samstag 23 August

6 1/4 Uhr, bei prachtvollem Wetter unsre Eisen-

bahnfahrt dem Ötzthale zu fortzusetzen.

Der blaue Himmel über uns, die hohen Felswände

in engen Thale um uns, die weißen Häupter

der fernen Bergriesen vor uns - wem

sollte sich da das Herz nicht aufthun -

Bludenz ging es zu, immer höher stieg die Bahn

die schwere Berglokomotiv keuchte den Berg

hinan, manchmal kamen Lawinen-Tunnels

oft war der Abhang mit Pflöcken besteckt, um

Lawinen von der Bahnlinie abzuhalten; da unten

im Thal rauschte die Ill, die Obstbäume prangten

im Schmuck köstlicher Früchte, die schlanken

Thürme der in Tyrol überall so schmuck und

freundlich schauender Kirchlein grüßten herauf,

was Wunders [?], wenn auch wir freudigen

Herzens hinabschauten auf die lieblichen Thäler

und Auen, mit gehobenen Gefühlen hinaufschauten

zu den Schneebergen und im Stillen das Lob des

Schöpfers priesen, der Alles also herrlich gemacht und

uns die Gunst geschenkt, daß wir seine Wunder

schauen durften.

Der freundliche Schaffner den ein Schluck aus

unsrer Flasche und ein Groschenstück noch freund-

licher gemacht hatte, hatte uns beide ein besonders

Coupé aufgeschlossen, so daß wir ungehindert die

Schönheiten zu beiden Seiten der Bahn uns betrachten

konnten.

Bald hieß es Langen, die Station vor dem Arlberg-

Tunnel. Ein Paar Würstel, sollten uns die 20 Minuten

durch den Tunnel verkürzen.

Ehe der Zug in diesen einfuhr, musterte ein Eisen-

bahnbeamter die Wagen ob auch das Licht brenne.

Da in unserem Wagen als bald ausgegangen,

wurde eine Laterne in unsern Wagen gehängt

ud. so ging es nun hinein in den Tunnel.

Im Grund war es eine angenehme Unterbrechung

um von dem anstrengenden Ausschauen ein

wenig ausruhen zu können.

Bald war die Endstation St. Anton erreicht

ud. begrüßte uns wieder das Tageslicht.

Von da ging es dann schnell dem Thal des

Rosanna und Trisanna, welche bei Landeck

in den Inn fließen, entlang an dieser Stadt

vorbei nach unsrer Endstation "Ötzthal"

Mittlerweile war es 1/2 12 Uhr geworden. Nach kurzer

Rast an dem einsamen, aber malerisch gelegenen

Gasthaus, wo wir unser Gepäck dem Stallwagen [?]

bis Längenfeld anvertraut hatten, gings nun

zu Fuß an den Orten Ötz, Manrath [Maurach?], Au vorrüber

oft dicht neben der schäumenden Ache, bis wir um

6 1/2 Uhr in Längenfeld ankamen.

Ein guter Trunk Tyroler Weins auf luftiger

Veranda mit Blick in die Bergwelt in der Ferne,

in nächster Nähe aber der Anblick einer liebreizenden,

freundlichen Jungfrau erfreuten uns bes. [besonders], und

frohgemuth wanderten wir, während schon die

Dämmerung hereingebrochen war, ein Lied ums

andere singend, dem 3/4 Std. entfernten

Huben zu, wo wir ca. 8 Uhr anlangten.

Nach unseren Reiselauf war hier der Herr Curat,

d.f.h. [?] Pfarrer der Gastgeber.

So marschierten wir in der Dunkelheit der Kirche

zu; wohl vermuthend, daß das Pfarrhaus nicht

weit davon liegen werde.

Fröhlich lachend Mädchenstimmen ertönten vor dem

Haus von einer Bank her; als wir näher traten

und nach dem Pfarrhaus fragten, lautete die Antwort:

"Hier ists!" Wir traten ins freundliche Gastzimmer

und alsbald begrüßte uns der Pfarrherr!

Es war eine riesenhafte Gestalt, in einen

Zisterziensergewand gekleidet, die da vor uns stand

und uns willkommen hieß. Aber ein fröhlicher

Ordensmann war er, bei dem wir Unterkunft

fanden.

Kaum hatten wir mit vortrefflichen Appetit und

Suppe ud. Pfannkuchen schmecken lassen, als er sich

zu uns setzte mit der Frage : ob wir auch singen?"

Und alsbald hub sich im Pfarrhaus in dieser Samstag

Nacht ein Singen an, daß uns gut war, daß die

Schäflein dieser Hirten in der Zerstreuung auf

den Bergen umher wohnten.

 

So, dann selbst that der fröhliche Pfarrherr mit,

als wir bei der letzten Strophe des Studentenlieds

"so [?] hatten 3 Gesellen" [Fiducit?] sangen: "es lebe die Liebste

Dein, Herzbruder im Vaterland!" und als wir

dabei unsre Gläser erhoben und mit ihm 3 Mal

anstießen.

Neben ihm aber saß ein lustig, tiroler Mädchen,

so auf Besuch in Huben war.

Derselben streichelte der Pfarrherr die Wangen

und legte seinen Arm um ihren Hals, worüber

das Mädchen gar nicht böse war.

Die Pfarrei ist keine 400 Seelen groß, der

Curator hatte aber dennoch noch einen "Cooperator"[Mitarbeiter d. Cur.]

in Person eines Ordensbruders.

Der Curator erklärte uns: " das ist mein

Knecht!!"

Der stand auch ganz bescheidentlich hinter uns,

als wir aber ein Lied v. Silcher anstimmten,

dessen Refrain ein Jodler war, da konnte der

gute "Coperator" nicht mehr an sich halten, da

that er fröhlich mit, ja, ließ zum Schluß einen

kräftigen Seufzer erschallen, als ob er in den

Bergen wäre, was uns über die Maßen freute.

Als die Uhr 10 schlug, da hub der Herr Curator

den Singsang auf und zeigte uns unser Zimmer,

denn er müsse am andern Morgen um

1/2 5 Uhr Messe lesen.

Und bald hatte ein erquickender Schlaf

uns umfangen in reinlichen, guten

Betten. --

Sonntag 24 August. Als wir erwachten, da plätscherte

der Regen von einem bleigrauem Himmel herab,

ud. da war es wohl das gescheiteste, sich gut auszuruhn.

Um 8 Uhr klopfte unser Curator: wir sollen aufstehn,

um 1/2 9 Uhr beginne die Kirche. Nun das war bald geschehn

und der Café bald getrunken, nichts im Gastzimmer

v. gegenüber im Bauernzimmer, trotz d. Regens,

schon eine Menge Kirchenleute von d. Bergen her

zusammen gekommen waren, um sich durch ein

Glas Wein für die 2 1/2 Std lang dauernde Kirche

zu stärken. Der Curator, wies uns den Platz in der

Sakristei an.

Vor Beginn der Kirche war "Procession" um die inmitten

des Kirchhofs stehende Kirche herum, welche der

Coperator im prächtigen Maß gewand leitete.

Trotz des Regens und Schmutzes sanken alle

Theilnehmer des Vorgangs beim Läuten auf die

Knien intmitten auf den Weg, wobei aber die

wenigsten auf das hergeleierte Gebet horchten, sondern

nach uns herüberschauten.

Dem Mädchen von gestern Abend, das bf [bei?] Herr Curator in

Gunst stand, raunten wir boshaft genug, zu "sie

solle auch um gut Wetter für uns bitten!"

was sie auch versprach zu thun! --

Nach der Procession begann die eigentl. Kirche.

Der Curator trat zuerst v. der Sakristei aus in die Mitte des

Chors vor die zahlreich versammelte Gemeinde, sprach oder

leierte vielmehr etwas, was wir nicht verstanden.

Die ganze Gemeinde respondirte, dann bestieg er

mit etlichen schnellen Schritten die Kanzel.

Er las sofort ohne Einleitung das Kapitel

v. den 9 Undankbaren (Luc. 17 - 21.11-19.) dann begann

er seine Predigt.

Nach dieser verließ der Curator sofort die Kirche

um nach Längenfeld zu fahren, wo ein Bruder-

schaftsfest der heil. Maria gehalten wurde mit Prozession.

Es seien zwar nur Weltgeistliche dabei, aber er

wolle doch auch hingehen, sagte er zu uns.

Wir hielten es nicht mehr länger aus, sondern [?]

machten uns aus der Sakristei wieder ins

Pfarrhaus, schnürten unseren Bündel, zahlten

die nicht theure Rechnung und trotz Regen

ging es mit frischer Kraft ud. Lust vorwärts

um 10 Uhr das Thal der Ache entlang nach

Sölden, einem reizenden 1401 m. hoch gelegenen

Dörflein. Hier stärkten wir uns.

Leider hatten wir des trüben Wetters halber keine

Aussicht. Bis Sölden führt ein Felsweg,

von Sölden aber hört dieser auf und ein steiniger Saum-

pfad

führt zum Theil hoch oben über der unten brausende

Ache, nicht ganz ungefährlich, von Sölden weiter nach

Zwieselstein. Hier kurz vor dem Dorf überschritten

wir die Ache auf schwankendem Fußsteg und nun

ging es unter fort währenden Regen bergauf

den Saumpfad ins Venter Thal hinauf.

Unterwegs gesellte sich ein junger Hamburger

stud. theolog. der von Tübingen herkam, zu uns,

dessen wenig bescheidenes Wesen uns aber bald

lästig wurde.

An einem Bächlein ließen wir uns trotz des Regens

nieder und nun wurde abgekocht.

Der Apothekerbruder versuchte seine Kochkunst zu

zeigen, indem er einen bei dem kühlen Wetter

willkommenen Grog braute.

Ein des Wegs kommender Tiroler Bauer blieb vor

Verwunderung über unser Treiben neugierig

stehen, kostete aber doch den dargereichten Trank,

ud. daß es ihm schmeckte, bewies daß er den Becher leer

trank. Doch der Regen kam immer stärker.

Als es heftiger wurde kamen wir noch rechtzeitig in

Heiligenkreuz an. Beim Pfarrhaus, das wir in

Huben dem Wandrer freundlich Obdach bietet.

Es war ein netter junger Curat, der mit der

langen Pfeife im Munde uns willkommen hieß.

Da wir naß waren und zu frieren begannen,

brennte bald ein lustig Feuer im Ofen u. bei

gutem Tiroler Wein thaten wir uns gütlich im

der warmen Stube. Wir waren nicht die einzigen

Touristen, die hier Unterkunft suchten; es waren

bald nach uns 2 junge Berliner, der eine: ein

Assistent am polytech. chem. Laborator. Vogel

mit Namen, der andre ein junger Gerichtsassesor

Namens Sterndorf, angekommen. So fehlte es

auch nicht an Unterhaltung, bes. als des jungen

Chemiker mit seinen mitgebrachten Apparat

photogr. uns alle in malerischer Gruppe vor dem

Pfarrhaus aufnahm und nachher auch eine Gruppe

von Tyroler Bauern, photographierte.

Des Abends aber beim Lampenschein setzten wir

Touristen uns mit dem Curat zusammen und

hatten einen recht gemüthlichen Abend.

Der Pfarrherr erzählte uns, daß er ganz gering

besoldet sei, freilich auch um eine Gemeinde von

60 Seelen habe, an Naturalien von diesen jeden Tag

eine Maß Milch erhalte, die er aber jeden Tag von

der Alp holen lassen musste, an Stellgebühren

aber äußerst wenig bekomme, im Jahr sei höchstens

1 Taufe. Daher sei ihm das Wirthshausrecht ein

kleiner Ersatz mangelnden Gehaltes. Er müsse aber

alles theuer bezahlen, da alle und jede Lebensmittel

von Innsbruck her auf Maulthieren heraufgeschafft

werden müssen. Wehmüthig beinahe sagte er,

er müsse nun die ganze Woche aufs Rauchen

verzichten, da er heute den ganzen Mittag

geraucht habe, sein Gehalt ihm aber nicht jeden Tag

das Rauchen erlaube. Schule, sagte er, werde nur im

Winter gehalten und zwar in dem Zimmer des Pfarrhauses,

wo die Bauern saßen, vor einem nicht seminaristisch

ausgebildeten Mann der Gemeinde.

Es komme eigentlich nie vor, daß die Kinder

wegen Unwetters, Schnee etc. nicht in die Schule

kommen. Um 10 Uhr suchten wir müde unser

Lager auf, das nicht gut aber auch nicht zu schlecht war.

Montag 25. August. Um 5 Uhr früh brachen wir,

nachdem das in Gläser auf getragene Café getrunken

war, auf; es sollte zunächst nach Vent gehen.

Aber kaum waren wir - 5 Touristen - 1/2 Stunde

gewandert, als der Regen in Strömen herabschüttete.

Wir hatten aber den Weiler Winterstall erreicht.

da erinnerten wir uns der Einladung des

 

Bauern, der gestern unseren Abkochen zugesehen

hatte, und dem wir, als wir ihn im Pfarrhaus beim

Wein wieder trafen, dort Bescheid thun mußten; er

war von Winterstall. Bei ihm suchten wir

Unterkunft, aber erst mußten wir die guten

Leute aus dem Schlaf wecken; da kam der Mann

barfuß aus seinem Hause heraus, begrüßte uns

ud. führte uns in seine Wohnstube.

Aber, welch eine Luft, welch ein Schmutz!

Um den mächtigen Ofen, auf der Ofenbank,

herum lagen 3 schon erwachsene Söhne des

Bauern, welche sich die Augen rieben, als sie

uns sahen, aber doch Anstalt machten, von ihrem

warmen Lager herabzukriechen, worauf

sofort, selbst von dem erst 15 Jahre alten, eine

Pfeife angebrannt wurde. Wir sorgten zuerst

für frische Luft und setzten uns dann um

den Tisch, auf welchen unser Gastfreund,

Peter Paul Plörer -- eine Schüssel Milch und

auf einem Teller einen Haufen, nichts weniger

als appetitlich aussehenden Käse setzte. Nach uns

noch stellten sich auch die anderen Kinder, das

Waib und die Großmutter ein, darunter auch

2 erwachsene Töchter. Der älteste Sohn erzählte mit

 

Stolz, daß er Soldat in der Herzegovina gewesen

sei. Auf unser Zureden sangen uns die erwachsenen

Söhne und Töchter einige tiroler Lieder, deren Text ich

mir von denselben, wie nachfolgt, diktiren ließ:

1) Kaum ist der Winter gar

Fängt das Frühjahr an,

Kommt die schöne Zeit

die uns allweil freut

Wo man's Viecherl

Auf die Alpen treibt.

2) Wenn der Schnee vergeht

Und alles grün dasteht,

Wenn die Sennrin singt,

Der frische Gemsbock springt,

Und der Kukuk schreit über Berg & Thal

Da giebt's a Freud überall.

III

O, liebster Gott ud. Herr

Schenk uns wieder einher

Schenk uns deinen Segen

Auf daß wir glücklich leben

U. auf der kühlen Alp'n wie im Winterstall,

Da isch die Zeit so lang wie überall.

IV

Und die Winterszeit

die isch ja a net schlecht

Wie für Bürgersleut

Auch ein Bauerknecht

Wo das Diandl spinnt

und hinterm Ofen sitzt

Verstohlner Weis'

sei Schatzerl küßt.

I

Da draußen im ebnen Landl

Da giabs a lustigs Leben

Da ist das ganze Landl

Mit der Liab umgeben

Jodler

Auf der Alpn' etc.

II

Jetzt kimmt es alpner Leben

Das ist a schöni Zeit

Do geh'n mr [?] aufs Bergel auf

Mer [?] steig'n auf d'Höhen nauf

Es . lass'n uns über schall'n

So geht däs alpner Leben thät uns g'falln.

III

Bei uns zu Haus

Do ist es so der Brauch

Do steckt ar [?] jeder Bua

A krümbe [krumme?] Feder auf.

U. in Pinzga [Pinzgau?] drin

Do isch a solle Ding

Do liabt a jeder Bua

Dei Prinzessin.!

IV

Der Kaiser Franzel

In der Wiener Stadt

Das ist a lustigs Mandl

Wenn er gessen hat

Und 36 Seidler [Seidel=0,35l?]

Trinkt er alle Tag

Und sei Lisl küßt er

Wenn er mag.

 

Am Schlusse jedes Verses folgte immer ein kräftiger

Jodler. Als Gegenleistung für Gesang u. Milch

legten wir einiges Geld für die Leute zusammen

u. der Apothekerbruder konnte es sich nicht versagen,

hier wieder einen Grog zu brauen; der die Runde

machte, wozu nun auch wir lustige Studentenlieder

ertönen ließen.

Um 8 Uhr endlich wagten wir uns wieder hinaus und

berg auf, berg ab gings nach Vent 1892 m. hoch, wo

wir um 1/2 10 Uhr anlangten und abermals im

Pfarrhaus Unterkunft fanden.

Vent nur wenig Häuser groß ist durch seine Lage

in romantischem Hochthal ausgezeichnet.

Majestätisch schauen die hohen weißen Bergriesen

herab, während wir unten auf grüner Matte

uns befinden und die 2 Thäler, die hier durch die

Thalleitspitze gebildet werden, das zum Hochjoch

führende Rosenthal und das zum Niederjoch

führende Niederthal, hinein schauen.

Am Pfarrhaus ist eine marmorne Gedenktafel

angebracht für den Curator Senn, der sich um

die Erforschung und Erschließung der Ötzthaler Alpen

verdient gemacht hat. Hier sammeln sich die Führer,

welche an ihrem Wams ein Metallschild tragen

des D.O.A.V. mit der Unterschrift, daß sie autorisierte

Führer seien.

Ein Tarif für die einzelnen Touren ist im Pfarrhaus

angeschlagen und keiner der Führer darf mehr

verlangen. Auch wir sahen uns nach einem um;

er hieß Joseph Ventler; ein sonneverbrannter

stämmiger Geselle mit italienischem Typus;

mit ihm ging's nun zum Hospiz des Hochjochs

in 3 1/2 Std. langem beschwerlichem Marsch unter

beständigem Regen auf mühsamen Saumpfad.

Ein durch Steinlawinen gerade nach solchem

langen Regen gefährliche Stelle war durch

roth angestrichene Steine und einen Pfahle

bezeichnet. Kurz, ehe wir an diese Stelle kamen,

begegneten uns Männer mit Maulthieren,

welche Wein zum Hospiz hinauf geschafft hatten

und uns zur Vorsicht an dieser Stelle mahnten.

Und wirklich war es nöthig, Schon von weitem

hörten wir, wie mächtige Blöcke herabstürzten,

mit donnerähnlichem Gekrach. Da hieß es so

schnell als möglich die gefährliche Stelle umgehn.

Während wir dies gethan, löste sich wieder eine

Steinmasse los und stürzte donnernd in die

Tiefe; nicht weit von uns. Da waren wir froh

und dankbar, als wir glücklich die Stelle hinter

uns hatten. Wir hatten uns v. unsern Mit-

reisenden getrennt und mit uns 2 Brüdern

keuchte nur der Assesor, ein feines geschniegeltes

berliner Männchen, das des öfteren seufzte

und wohl lieber bei Muttern gewesen wäre,

den steilen Berg hin an.

Bald lag, rechts von uns, das Hintereis und

Kesselwandferner vor uns, so daß man meinte,

in kurzem ihn erreichen zu können und schon

zeigte sich das Dach des Hospiz. Da stieg mit

rasender Geschwindigkeit vom Thal herauf ein

dichter Nebel und gerade wie wir das Hospiz

erklommen hatten, hüllte auch der Nebel alles

ringsum ein; dazu blitzte und donnerte es

über uns unaufhörlich.

Wie froh waren wir da an dem schützenden

Obdach dieses von Wirth Grüner in Sölden

erbauten Hospiz da wir 1/2 5 Uhr erreicht hatten ud.

das im Erdgeschoß Küche, Zimmer für Führer; ud. 1 Herren-

zimmer, über dem Erdgeschoß mehrere durch Bretterwände

getrennte Kammern mit zusammen 20 Betten

enthielt. Der Wettermantel hatte gute Dienste

geleistet, wir waren in den Kleidern nicht naß;

aber doch war eine empfindliche Kühlung der

Temperatur eingetreten, so daß wir an einem

warmen Stübchen froh gewesen wären.

Aber es fehlte an Holz und so mußte man sich helfen,

wie es ging. Ein wirklich guter, von den 2 Diandle,

die im Hospiz hausen, gekochter Glühwein

erwärmte innerlich, und um auch außen

warm zu werden, holte man die wollenen Bett-

decken herunter ud. so saßen wir fröhlich, singend,

um den Tisch und ließen uns den heißen Pfannkuchen;

den "Kathi"[?] uns aufs feinste zubereitet, trefflich schmecken.

Währenddesssen aber hatte draußen der Regen in Schnee

sich verwandelt und bald war alles rings um in Schnee

gehüllt. Dazu tobte es und war eine unheimliche

Kälte, so daß die Fenster gefroren. Da wolle uns

doch der Muth sinken, denn was sollten wir bei

solchem Wetter beginnen? Dennoch ließen wir

uns nicht entmuthigen und fröhlich sangen

wir: Auf du klar, blauer Himmel," ein Lempiden [?]

verkürzte die Zeit. "Studio auf einer Reis"

ward natürlich auch angestimmt ud. der Assesor

mußte sogar noch einen weitern Vers zu

singen, also lautend:

"Kommen wir vor Petrus Thür - tschupride [?]"

Fragen wir nach bairisch Bier - " "

Doch der strenge Petrus schreiht:

Bairisch Bier dat gibt es nicht!"

Als wir aufgehört hatten zu singen, da stimmten

die beiden tiroler Diandl ein Lied ums andre

an mit ihren kräftigen, hellen Stimmen u. sangen

dazu ihre Jodler, daß es eine Freude war.

Doch auch die Müdigkeit zeigte sich bald und

um 8 Uhr suchten wir unser Lager auf. -

Dienstag 26. August.

Als wir am andren Morgen erwachten und das gefrorene

Fenster öffneten, da waren wir tief, tief eingeschneit.

1 m. hoher Schnee umgab das Hospiz und die Führer

mußten zuerst den Schnee von der Thüre schaufeln.

Ein wolkenloser, blauer Himmel grüßte herab ud. schien

bald die Sonne so freundlich, daß wir freudigen Herzens

wurden. Wer sollte da nicht auch gehobenen Muthes

werden, wenn er so die Wunderwerke Gottes mit Augen

schauen darf, wenn ihm da die Majestät Gottes so nahe

tritt, wie nicht leicht sonst wo. Hoch droben in den Alpen

waren wir, kein Geräusch der sich drängenden nach

Geld und Gut haschenden Welt war hier zu hören, kein

Pfeifen und Getöse der Dampfmaschinen, Eisenbahnen.

- erhaben, friedliche, feierliche Stille rings um.

Hohe Bergriesen umher, Eis und Schneegefilde, wehe

das Auge schaute, führ mehr war da stumpf bleibt

das ist es nicht werth, diese Wunder zu schauen.

Aber doch giebt es solche, die die Alpen nur besteigen um

nachher sich rühmen zu können auch dort gewesen

zu sein. Wie fein geißelt der Dichter solch blasirten

Sinn in dem Gedicht:

"2 Wandrer zogen hinaus z. Thor - zur herrlichen Alpenwelt empor

Der Eine ging weils Mode just - den andern trieb der Drang und Lust

U. als daheim nun wieder die zwei - da winkt die ganze Sippe herbei [?]

Da wir bald's m. Fragen ohne Zahl - Was habt Ihr gesehen, erzählet einem al'

der eine drauf mit Gähnen spricht: "Was wir gesehen." viel Neues nicht!

Ach! Bäume, Wiesen Bach u. Hain - Nur blauer Himmel ud. Sonnenschein."

Der andre lächelnd derselbe spricht Doch leuchtenden Blicks mit

verklärtem Gesicht

"Ei Bäume, Wiesen, Bach ud. Hain ud. blauen Himmel ud. Sonnenschein".

Ja blauen Himmel ud. Sonnenschein, das schon auch wie

noch mehr dazu. Unser Trupp hatte sich noch um 3

vermehrt, 2 bairische Studenten ud. 1 Finnländer, der gut

deutsch sprach ud, in Berlin Architektonik studierte, sodaß wir

nun 8 Mann hoch waren. Des frisch gefallenen Schnees wegen

der die Gletscherspalte deckte ud. der, da die Sonne bald heiß

schien Lawinengefahr bringen konnte, nahmen wir

noch einen Führer, diese beiden Führer voraus wir

hintendrein, so gings um 1/2 10 Uhr v. Hospiz über ein 4

Stunden langes Eis u. Schneefeld, die Augen wurden geschützt

durch die Gletscherbrille, die Hosen unten zugebunden daß der

Schnee nicht eindringen konnte. Der Bergstock zur Hand

genommen ud. bald steckten wir oft bis um die Hüfte im

Schnee. Ein mühsamer Weg war es ud. müde machte er,

denn das Schneestampfen wollte kein Ende nehmen.

Dazu schien die Sonne heiß, während vom Schneefeld

herein kalter Wind blies. Wie manchmal seufzte da

unser berliner Assesorlein, sein Gesicht brannte ud. schmerzte

ihn, der Durst plagte ihn. Wir lachten ihn aus, sollten aber

nachher selber fühlen daß wie man nicht ungestraft unter Palmen

wandelt so auch nicht über Gletscher. Wenige Tags nachher

brannten auch uns unsre Gesichter, an einzelnen

Stellen besonders Mund ud. Nase traten schmerzliche Blasen

auf; Das ganze Gesicht war wie geschunden ud. wir

mit unsern röthlich schimmernden Nasen wie recht verkommene

Vagabunden aus. - Alle 10 Minuten wurde ein kurzer

Halt gemacht. Kam eine Gletscherspalte od. sonst eine Stelle

wo Vorsicht geboten war, so machten die vorausgehenden

Führer das Zeichen eines Kreuzes in den Schnee ud. wir

Nachfolgende wußten, daß wir an solchen Stellen acht

zu geben hatten. Vom Gletscherselbst bekamen wir

leider nichts zu sehen, da er ganz mit Schnee bedeckt

war. Um 12 Uhr hatten wir das Hochjoch erreicht.

2875 m. hoch standen wir, zu allen Seiten m. frisch

beschneiten Bergspitzen umgeben; rückwärts schauten wir

ins gestern durchschrittene Rofenthal ud. erblickten die

Wildspitze; vor uns lag das grüne Schnalser Thal ud. die

weißen Salurnspitze [Saldurspitze]. Bald um 1 Uhr, war das Ende der Gletscher

erreicht. Der Schnee hörte auf, drunten im Thal lag in-

mitten grüner Matten Kurzras. Die Führer wurden

entlassen ein kräftiger, letzter Schluck wurde der Flaschen

entnommen ud. hinab gings auf abschüssigem,

steinigtem Pfad nach dem reizend gelegen Kurzras.

wo wir es uns, freudig zurückdenkend, an die Herr-

lichkeit der Alpenwelt die wir von oben schauen

durften, in dem an einem munteren Bächlein

gelegenen Gartenpavillon von welchem aus

man rückwärts auf das Hochjoch, vorwärts

ins Schnalser Thal schauen konnte, bei Milch und Wein

trefflich schmecken ließen. Zu aller Schönheit der Natur

kredenzte uns den Wein ein munteres tiroler Mädchen.

Alsobald öffnete auch der junge Berliner sein Lichtbild-

apparat, den er mit vieler Mühe über d. Hochgebirge geschleppt

hatte.

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Fortsetzung dieser Reisebeschreibung

"Anfang". -

1891.

Reise nach St. Canzian [?], Triest, Venedig.

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16. Juli Abreise Kirchheim - Friedrichshafen

durch den Arlberg nach Dalaas - Kitzbühl

Zell am See, St. Johann im Pongau.

1892.

Reise nach Genua.

19. Juli ab Kirchheim - über Windisch

nach Zürich - Interlacken. Oeschinen -See

Zermatt.

2 August über Novara nach Genua.

6 August nach Mailand. Flülen - (Sonntag)

Luzern Beleuchtung das Sees.

Auf Pilatus zu Fuß. - Ueber Zürich

nach Feldkirch Dalaas. Durch Arlberg-tunnel

(16 Min. lang) über Landeck nach Imst.

Fernpaß - Thörl - Eibsee, Garmisch.

Linderhof . Neuschwanstein - Hindelang

Sonthofen, Lindau.

21 August wieder in Kirchheim

-

1893.

Reise nach Tyrol, Salzkammergut

vom 8. Juli bis 6. August.

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Ueber Friedrichshafen - Sargans Maienfeld

Falknihs [Falknis] - Insbruck [Innsbruck] - Jenbach

Zell am See

Inschrift eines Hauses:

"Ich liebe Gott und laß ihn walten

Mache neue Güte und färbe [?] auch die alten"

Kitzbühl ud. Horn theilweise und

wegen schlechten Wetters. (Landregen).

Krimmel - Beleuchtung des Wasserfalls

des D.Ö.A.V. - wunderbarschön.

Die größten Wasserfälle Europas.

Wieder nach Zell am See - Schmittenhöhe

Taxenbach - Kolm Saigurn.

27/.7 auf Sonnblick 3103 m. hoch bei

furchtbarem Sturm; eingeschneit.

Kulm Saigurn, Pockartscharte Böckstein.

Bad Gastein nach Hallein - Bergwerke.

Salzburg, Glockenspiel im Dom;

Hellbrunn Wasserwerke, Naturtheater

2. August Gmunden, Schloß Toscana,

Mondsee - Scharfling St. Gilgen.

mit Schafbergbahn nach Strobl, Ischl.

Hallstädter - See. - Dachstein 2996.

Bischofshofen, Wörgl, Kufstein.

München - Kirchheim

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Hinzu ist ein Gedicht im Anhang.

1894.

Reise nach Spanien ud. Afrika.

vom 27. April bis 25. Juni

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Ueber Zürich Genua. In 2 Tagen mit

Dampfer "Sapunto - Valencia" nach

Barcelona bei sehr heftigem Sturm.

Barcelona besichtigt, auf Festung Mont Juich [Juic].

(Socialdemocraten 1. Mai.) Vom deutschen

Consul eingeladen.

2 Mai auf Montserrat (Kralsage [?] ud.

schwarze Madonna) Mönchskloster.

Wundervolle Flora.

In Barcelona Beerdigung wie in frühere

Zeiten. - Stierkampf - Trauer [?].

Von Barcelona mit Dampfer "Julio"

7. Mai nach Palma auf Insel Mallorca.

Abfahrt 6 Uhr Abends, früh 6 Uhr an in

Palma.

Herrliches Stück Erde diese Insel.-

Poetisch-prosaische

Reisebeschreibung

der hochwohlgestie-

genen Bergfex-

Familie

Hölzle-Lahm.

 

12. Juli - 15 Aug.

1893.

Albert, Else, Rich [Richard Hölzle?] und ich

machen eine große Reise.

Darob freut sich königlich

Ein jeder aus dem frohen Kreise.

Dichter bin ich nie gewesen,

Werd es wohl auch nimmer sein!

Aber wenn wir einstmals lesen

Wird dies dennoch uns erfreun.

Glatt nicht fließen meine Reime

Wie der helle Silberbach,

Doch sie rufen schöne Träume

Und Erinnerungen wach.

Leicht ward uns der Abschied heute

Von dem lieben Vaterhaus;

Laßt uns doch allein die Freude

In die weite Welt hinaus.

Mama braut von gutem Wein

den bewußten Abschiedstrunk.

 

Ei! Wie mundete das fein!

Und wie wußten wir's ihr Dank!

In der Nacht um halber Zwei

Gingen wir zur Bahn,

Und als kaum die Nacht vorbei

Kamen wir in Triberg an:

O du kräftige Schwarzwaldluft,

So köstlich u. so wonnig!

O du balsamger Tannenduft,

Wie freudig grüß ich dich!

Griesbach, Sulzbad, Allerheil'gen

Sind an Schönheit reich.

Doch erst Triberg mußt du sehn

Ihm kommt keines gleich.

Von weitem ein mächtig brausender Schall

Und fröhlich entgegen klinget.

Es ist der Triberges Wasserfall,

Der kühn über Felsen springet.

Schäumend, zischend, von Gestein zu Gestein

Rollen die Fluten hernieder.

Goldig beleuchtet's der Sonnenschein,

Es ertönen der Vöglein Lieder.

Auch der Wald mit melodischem Rauschen

Will sein Allerbestes thun.

Wir aber andächtig stehn und lauschen.

O wie läßt sich's hier herrlich ruhn!

Fort geht es nun nach Immendingen,

Unser Duo ist jetzt vorbei.

Trio können wir fortan singen,

Denn mit Elsle sind wir ja drei.

Fröhlich war das Wiedersehen

Sah'n wir uns doch lange nicht.

Nun kann es fröhlich weitergehen!

Schon ist der Hohentwiel in Sicht.

Dort wo bei Hartwig einst Ekkehard1) weilte

Im alten Schlosse auf grüner Höh,

1)Joseph Viktor von Scheffels Liebesroman „Ekkehard“

Der Zug jetzt rasch vorübereilte

Bis zu dem schönen Bodensee.

Friedlich umspület von den Wellen

Liegt das Kloster Reichenau,

Aus den Fluten, den grünen, hellen

Hebet sich die Insel Mainau.

In Konstanz, der Stadt von Hußens Qual

War'n wir im Dome grau u. alt,

In dem erneuten Konziliumssaal

Und machten im Insel-Hotel dann Halt:

Recht befriedigt von diesem Ort,

Mit dankbarem, fröhlichen Sinn

Fahren wir mit dem Dampfer fort

Nach dem anderen Ufer hin.

Malerisch, herrlich ist das Gestade,

Gekrönt von dem Gebirge blau.

Doch der Himmel - wie hammerschade!

Überziehet sich grau in grau.

Reichlich strömet hernieder die Traufe

Als wir hin nach Lindau kamen,

Wo wir nach der unfreiwilligen Taufe

In der Helvetia Nachtquartier nahmen.

Am Morgen, nach erquikender Ruh,

Wandelten wir an Ufer's Strand,

Sahen dem Spiele der Wellen zu

Und bewunderten das herrliche Land.

Petrus war uns zum Glück wieder gut.

Hier könnte ich immer stehen u. schauen

Träumen hinab in die grüne Flut,

Mich an der schönen Natur erbauen.

Von hier setzten wir nach Bregenz über,

Wo die Aussicht fast schöner noch ward.

Freundlich grüßten die Villen herüber.

Wir bewunderten vom Berg des Gebhard [Gebhardsberg]

Das Rundbild, wirklich sehenswert.

Doch davon will ich hetzend [?] schweigen.

Wir treffen heute noch Friedrich u. Albert

Und wollen zusammen Bludenz erreichen.

Dorten blieben wir übernacht.

Des Morgens fuhren wir luftig weiter.

Albert entfaltet fortan seine Macht.

Mit unserm gelehrten Reisebegleiter

Ging's durch die blumigen Wiesengründen

Umsäumt vom himmelansteigender Höh;

Vorbei an rissigen Felsenschlünden,

An Bergesriesen, gekrönt mit Schnee.

Durch die hohe Gruppe des Rätikon

Mit der höchsten Spitze, dem Scesaplana [Schesaplana],

Fuhren durch's Klosterthal wir davon

In das Thal hinein der wilden Rosanna

In dem langen Arlbergtunnel

Umfängt uns bald ein nächtliches Grauen

Nach jedem km. ein Lichtlein hell

Und Arbeiter sind dort zu schauen.

Wir erblickten alsdann die Martinswand,

Wo ein Engel einstmalen beschützte

Maximilian, damit er an Abgrunds Rand

Hinab in die Tiefe nicht stürzte.-

Jetzt einen letzten, kräftigen Ruck,

Einen Blick zurück in dies Paradies

Da hält der Zug auch schon in Innsbruck,

Wo man uns alle aussteigen hieß.

In Innsbruck, der Stadt am reißenden Inn,

Empfängt uns ein scheußlicher Regen.

Ein Glück, daß unser Humor nicht dahin;

Für uns war dies wahrlich ein Segen!

Nach gutem Mahle im Hotel Kreid

Besichtigten die Kirchen wir,

Durchstreiften die Stadt ein Bogen weit

Und sah'n die Sehenswürdigkeiten hier.

Wir besuchten die große Ausstellung

Und das dort stattfindende Konzert.

Dem ersten zollten wir Bewunderung;

Das letzte war nicht sehr begehrenswert.

Um 12 Uhr erst die müden Glieder

Fanden die ersehnte Ruh.

Kaum legten wir im Hirsch uns nieder,

Da fielen mir schon die Augen zu.

Da am Samstag immer der Nebel noch lag,

Vom Himmel stets strömte das Naß,

Verbrachten wir hier einen zweiten Tag

Und besuchen das Schloß Ambras.

Hier weilte einst Welsens Philippina

Im reichverzierten Königsschloß.

Es erheitert sich da die trübe Miene,

Denn in Kunst u. Geschmack ist es wirklich groß.

Zur Ausstellung lenkten wir nochmals die Schritte,

Gingen hinauf zur Veranda Krafft,

Zu sehen dort echte Tyroler Sitte

Und was Tony Eders Gesangeskunst macht.

Die Reise geht weiter am Sonntag.

Wir wollen zum Aachensee,

Steigen darum aus in Jenbach

Zu erklimmen von dort die Höh.

Ein wildromantischer, steiler Weg

Führt uns hinauf zur Spitze.

Daß wir allweil bleiben frisch u. reg

Verdanken wir nur der geringen Hitze;

Oben besonders war's etwas rauh.

Durch die Fluten so ruhig, so grün

setzten wir über nach Perdisau [Pertisau].

Fahren später wieder gen Jenbach hin,

Durchs Zillerthal an den Kaiser heran.

An der Salve vorbei nach Kitzbühl

Trug uns allmählich die Giselabahn

Zu unserem heutigen Reiseziel.

Vorbei an rauschenden Wasserfällen,

An Ruinen auf steilen Felsenhöhn

Wo luftigplätschernde Silberquellen,

Unzählige Kirchlein waren zu sehn.

So schön hatt' ich die Fahrt mir nicht gedacht!

Wir waren empfohlen in's Tiefenbrunnhaus

Um daselbst verbringen zu die Nacht.

Doch freundlich wies man uns dort hinaus,

Alle Zimmer waren vergeben.

Es geschah mit der größten Zuvorkommenheit.

Ich lob mir's Tyrolerleben!

Sofort war die freundliche Wirtin bereit

Zum Arnberger uns zu weisen.

Man dort nicht nur gute Zimmer hat

Sondern auch ganz vortreffliche Speisen.

Am Montag besahn wir die kleine Stadt.

Immer luftig voran mit unserm Friedel

Durchs äraialische Hüttenbergwerk

Ging's zum Wallfahrtsort Marieeinsiedel,

Wo ich gelungene Bilder bemerk.

Wenn Maria hat mit allen Erbarmen

Weihe auch ich ihr ein wächsernes Harz

Damit sie wie den Beinen u. Armen

Auch mir gebe Linderung im Schmerz.

Vom Schwarzsee kehrten wir heim gen Abend.

Zum Schleierfall durch die Zephirau;

Denkt man es sich sicher erquikend u. labend.

- Auch für uns war es ziemlich beschwerlich u. rauh.

Planlos irrend über Stock u. Stein,

Über Bäche u. Zäune hinweg,

Gerieten wir tief in den Wald hinein,

Fanden lange nicht den rechten Weg.

Doch glücklich kamen wir wieder nachhaus.

Am Dienstag morgen um halber vier

Schlüpften wir schon aus dem Bett heraus.

Das Kitzbühler Horn erstiegen wir.

Verfolget uns der Regen denn immer?

Am Wege steht ein Sennhütlein,

Und ohne jeden Hoffnungsschimmer

Treten zu kurzen Rast wir ein.

Wir wärmen uns in der traulichen Kirche,

Sehen dem häuslichen Treiben zu,

Beobachten das prächtige Frauchen, das frische,

Wie sie badet ihren kleinen Bu.

Else sitzet als Veleda [germanische Seherin]

An dem offnen Feuerherd.

Solch ein Leben auf der Alma

Ist wahrhaft begehrenswert.

Es beschließt das hohe Konzilium

Daß wir verweilen hier noch eine Stunde.

Mittlerweil geht der brennende Span herum

Und der Becher kreist fröhlich die Runde.

Draußen siehts immer trostloser aus

Zu bleiben hätte keinen Sinn.

Zum Abschied schenkt uns die Sennerin den Strauß,

Und zurück gehts dann nach Kitzbühel hin.

Kaum waren wir wieder geborgen

Da brach auch schon hervor

Ohne jeglichen Kummer u. Sorgen

Unser wohlbekannter Humor.

Man muß das Leben eben nehmen

So wie es immer ist.

Wer's anders macht, der muß sich schämen.

Ihr lieben Freunde, das wißt,-

Auf dem Kaiser liegt der Schnee ganz frisch.

Den Abschiedstrunk liefert der Wein von Lawurn [?].

Auf dem Weg machen wir uns gleich nach Tisch

Zu wandern über den hohen Paß Thurn.

Es drücket uns des Rucksacks Gewicht

Gar schwer in der heißen Mittagssonne.

Doch große Geister geniert das nicht.-

Wir sind sogar erfüllt von Wonne!

Denn von uns, in blauer Ferne ragen

Bis in die unermeßliche Höh,

Als wollten sie gleich den Himmel tragen,

Die Bergesriesen, gekrönt mit Schnee.

In Jochberg, wo wir kurze Zeit weilen,

Sind wir alle schon halber lahm.

Indeß, - wir müssen weitereilen

Damit wir kommen am Paßthurn an.

Auf schöner Landstraße, ziemlich leicht,

Die durch dunklen Tannenwald führt,

Man auf einmal die Landesgrenze erreicht.

Diesem Wege wirklich Lob gebührt.

Allgemein anerkannt ward unsre Leistung.

Jetzt, o Himmel, welch herrlicher Blick!

Die Aussicht ist mir die schönste Belohnung,

Oft u. gerne denke ich daran zurück.

Vor uns, in nie geahnter Pracht

Erheben sich die Hohentauern.

O Gott, wie groß ist deine Macht!

Mich durchrinselt ein freudiges Schauern.

Neues Blut in meinen Adern rinnt

Solch ein Anblick muß erbauen.

Womit, womit hab ich's verdient,

Eine solche Herrlichkeit zu schauen?

Vergessen ist alle Müdigkeit

Bei der prächtigen Gletscherbeleuchtung.

Ob auch Mühlbach lieget noch weit,

Wir sind ja kräftig, wir sind ja jung!

Dann hinunter in's Thal der Salzach wild,

Geht es direkt nach Mühlbach hinein,

Wo beim erstbesten Wirtschaftsschild

Zur erquickenden Nachtruh wir kehren ein.

Herr Hölzle war in Kitzbühl geblieben

Er mußte wieder früher nachhaus.

Unsre Leistung betrug 1 Stunde ...d. 7 [?]

(Wird rechnen es nämlich getreulich aus.

Am Mittwoch, bei goldenen Sonnenstrahl,

Vorüber an Schneebergen, blendend weiß,

Gehts durch's Habbachthal [Habachtal] in's Rosenheimthal,

Die Sonne brennt schon tüchtig heiß,

Doch leicht beschwinget wie der Vogel

Erreichen den Wald wir neuerdings,

Vorüber am Fürlegg, Finaylkogel,

An alten Wachtürmen rechts u. links.

Allmählich erreichen wir Krimmel.

Von der Stirne rinnet der Schweiß.

Allzu heiter uns lachet der Himmel,

Es wird unerträglich heiß.

Schon von weitem ein vielverheißender Schall,

Ein lautes Toben u. Zischen

Kündet den Krimmler Wasserfall.

Der Triberger Wasserfall ist ja recht lieblich,

Doch ist es wahrlich ein Kinderspiel nur.

Der Krimmler hingegen ist fürchterlich,

Ein unzähmbares Dämon der Natur.

Durch enge Felsenklippen sich zwänget

Die ungezügelte Wasserflut,

Dann weit sich auseinander dränget

Die kochende, dampfende, weiße Glut.

Es ringen sich unaufhörlich die Wellen

Von der schwindelnden Höhe ab,

Und ohne Ende die Wasser zerschellen,

Tief unten in dem gähnenden Grab.

Ein farbenreicher Regenbogen

Erleuchtet mit prächtigem Schimmer

Das Felsenmeer, überdas die Wogen

Toben u. rasen noch immer.

Bald wie ein einziger Smaragd

Erglänzt der gekräuselte Schaum.

Unaufhörlich tobet die wilde Jagd

Man trauet den Sinnen kaum.

Es sprühet ein feiner Regenstaub

Aus dem siedenden, brausenden Gischt;

Diamanten blinkt das bethaute Laub

In dem goldenen Sommerlicht.

Zwei Kanzeln stehen an diesem Ort

Zuschauen besser die Pracht;

Geflügelt müßte des Predigers Wort

Hier verkünden die göttliche Macht.

Andächtig möchte ich niedersinken,

Möchte inbrünstig danken Dir,

Daß Deiner Herrlichkeit Strahlen blinken

So ungeahnt u. wunderbar mir.

Wir stiegen 1200 m. hoch.

Über Felsenstufen geht' wieder bergab.

Ordentlich müde waren wir doch

Nach unserm heutigen, 9 stündigen Trab.

Es will der Östreicher Alpenverein

Die Wasser bengalisch beleuchten.

Es könnte wirklich großartig sein

Wenn die Hoffnungen nur nicht täuschten!

Mittlerweile zeiget die Uhr schon neun.

In dunkel gehüllt liegt die Welt,

Unzählige, blinkende Sternlein

Funkeln am Himmelszelt.

Geisterhaft rauschet der Wasserstrahl

Weithin durch die friedliche Nacht.

Da auf einmal - , es wird hell im Thal -

O welche niegeahnte Pracht!-

Wie ein rauchendes Flammenmeer

Wälzt sich die hellerleuchtete Flut,

Und die ganze Gegend ringsumher

Erstrahlet in roter, in feuriger Glut.

Dann ein magisches, grünes Licht

Erglänzet hüben u. drüben.

Sicherlich, wir bereuen es nicht,

Daß wir solange hier geblieben.

Der Gedanke uns nicht besonders gefällt.

Nach Wald noch zu laufen um elf.

Doch wir hatten dorten Zimmer bestellt.

Müde kamen wir an um zwölf.

Gleich fielen mir die Augen zu.

Das war mir denn doch eine andere Post!

Wir fanden dort nicht alleine köstliche Ruh

Sondern auch eine ganz vortreffliche Kost.

Der Donnerstag war als Rasttag bestimmt.

Wir haben deshalb nur kurzes Programm.

Man nur einen steilen Felsen erklimmt.

Die wildzerklüftete Sulzbachklamme

Es ist gewiß auch dieser Wasserfall.

In seiner Art ganz wunderschön.

Doch will ich nicht schildern die Wasser all,

Die wir in Tyrol geseh'n.

Von Neukirchen ersteigen mit frischem Mut.

(Mut) Den Wildkogel wir mit dem Jäger,

Nach der Rast sitzt das Schuhwerk doppelt gut.

Albert geht am Paß auf den Venediger [?].-

Es sind der Alpen Blumenkinder

Ja ganz besonders üppig u. reich,

Doch sind sie alle mehr oder minder

Bis jetzt unsrer eigenen Blumenwelt gleichen

Zurückgelegt war der Aufstieg, der großen,

Zu der Sennerin war es nicht mehr weit,

Da pflückt ich die erste Alpenrose,

Was mich außerordentlich erfreut.

Immer eigenartiger wird die Flora,

Je höher u. höher wir steigen;

Immer weiter wird das Panorama

Je mehr wir die Spitze erreichen.

Wer nennt mir alle die zackigen Kronen

Überzogen von Schnee u. Gletschereis?

Sie alle der himmlische Vater nur weiß.

Es fließen hier die Hohentauern,

Gen Glockner, Herrenspitz u. Rettenstein

Wie himmelhochanstrebende Mauern

Ziller-, Aachen-, Halbach- u. andre Thäler ein.

Da sitzen wir nun in der Koglhütte

Zerstört durch rohe, böse Hand,

Übersehen, in der Bergriesen Mitte,

Das großartig schöne Alpenland.

Doch mit der Poesie allein

Ist es lange noch nicht gethan.

Mit ihr will Prosa verbunden sein,

So fangen wir dann zu verßern [?] an.

Gestiegen sind wir 2'222 Meter,

Lassen's uns jetzt auch herrlich munden.

Gibt es noch bessere Luftkurbäder?

Für Kranke ja, nicht für die Gesunden.

Beim Abstieg litten wir Ulysses Qualen;

Die Hitze macht uns zu schaffen viel.

Da endlich schimmern in Abendrotsstrahlen

Von Fern die Zinnen von Mittersill.

In Mittersill, dem "Pinzgau Venedig"

Hatt' in der Post ich nach langer Zeit

Mich einer köstlichen Nachtruh endlich

der langersehnten, entbehrten erfreut.

Am Samstag mit der Extrapost

Fahren wir nach Zell am See.

Ob es auch mehr als drei Pfennig kost

Thut uns die Ausgabe doch nicht weh.

Wie ist es, als führen wir nun nachhaus,

So sehr freue ich mich auf Zell.

Dann packen wir unsere Koffer aus

Erfahren ob die Lieben sind alle well [?].-

Gottlob daheim ist alles wohl!

Nun können wir wieder ohne Sorgen

Verbringen unsern Sonntagmorgen.

Am Nachmittage kamen ja

Herr Spittler u. Herr Großmann

Wir fuhren mit ihnen nach Austria

In einem lustig schaukelnden Kahn.

Bisher war trübes Wetter am See.

Am Montag wird es wieder heiter.

In der Alpenrose trinken wir Kaffee

Und gehen zu Fuß nach Fischhorn weiter.

Wir wandelten um den See herum,

Unternahmen dann auch eine schöne Fahrt.

Doch die Verabredung, ach wie dumm!-

Durch ein Mißverständnis gestöret ward.

Wir wollten zusammen auf die Schmidter Höhn [Schmittenhöhe],

Doch nur bei herrlicher Aussicht.

Die Herren hielten das Wetter für schön,

Wir aber thaten dieses nicht.

Als abends wir kamen zur Post um acht

War Herr Großmann schon zurück.

Er hielt in der Post getreulich Wacht

Zu begrüßen uns im Augenblick.

Er hatte uns als Alpengruß

Einen selbstgepflückten Strauß gebracht.

Die herrlichen Rosen, welcher Genuß!

Wie nett, daß er droben unser gedacht!-

Wir setzten uns dann "vergnügt" zu Tisch

Zu einem "vergnügten" Wein.

Da plötzlich kam, so fröhlich u. frisch,

Direkt vom Gr. Glockner, Albert herein.

Er war vor Freude wie berauscht,

Sein Erzählen nahm kein Ende.

Wir haben andächtig ihm gelauscht,

Gar oft geklatscht in die Hände.

"Schön ist Mutter Natur

Deiner Erfindung Pracht über die Fluren zerstreut;

Schöner ein froh Gesicht,

Das den großen Gedanken deiner Schöpfung"

Ja, der alte Klopstock hat Recht,

So etwas will erlebet sein!

Wir hielten ein luftiges Wortgefecht

Bei dem "vergnügten" Champagnerwein.

Am Morgen früh, trotz Ach u. Weh,

Standen wir früh schon auf.

Auf den "Salonberg" die Schmidtner Höh,

Kamen um 8 Uhr schon hinauf.

Die Lofererberge, das Steinerene Meer

Vom Himmel ab zeichnen sich klar,

Dachstein, Gr. Glockner, Venediger

Erheben sich vor uns ganz wunderbar.

Tief unten breitet der See sich aus

Und die kleine, freundliche Stadt.

Laut u. fröhlich möchte ich jubeln hinaus

Über die herrliche Aussicht, die man da hat

Am Abend fuhren von Zell wir fort.

Der Abschied that uns wirklich leid

In Taxenbach, unserer ersten Ruheort

Waren wir dennoch recht lustig noch heut.

Eine lustige Familie war es ja!

Vater war Albert, Onkel war Großmann,

Wir Vetter und Bäschen, Spittler Großpapa.-

Mittwoch gings an die Kitzloch Klamm.

An der wilden Salzach Rand

Führet ein wildromantischer Weg.

Bis hinauf zur höchsten Felsenwand

Leitet der schwindelnd hohe Steg.

Ist das ein Gebraus, ein Getös, ein Gezisch,

Ist das eine reißende Flut!

Ist das ein Treiben, ganz fürchterlich

Eine unbezähmbare, blinde Wut.

Bald bilden die Felsen eine Bucht,

Bald klaffen sie auseinander wild,

Bald eröffnet sich eine dunkle Schlucht,

Ein abwechslungsreiches, schauriges Bild.

Dann wandeln wir wieder durch saftige Fluren,

Uns lacht von neuem der Himmel an

Welch köstlich Ding sind solche Touren,

Wenn man sie frisch u. froh unternehmen kann!

Unser Träger hat es uns leicht gemacht.

Wir gingen am Flecken Rauris vorbei,

Verbrachten in Kolm-Saigurn die Nacht

Und brachen dort schon auf um drei.

Juchhe! Jetzt galt's auf den Sonnenblick.

Noch leuchtet uns der Hesperus [Venus].

Bald fliehen die nächtlichen Schatten zurück,

Minerva entbietet uns ihren Gruß.

In rosigem Schimmer die Bergkuppen ragen.

Es kündet ein eisiger, heftiger Wind

Den Gott Apoll auf dem Sonnenwagen.

Schnell Tuch u. Jacke her, nur geschwind!

In dem alten Maschinenhaus

Machen wir große Toilette;

Ei, wie wunderlich sahen wir aus,

Zum Photographieren, ich wette.

Hier steht seit uralten Zeiten ein Schacht,

Darinnen man grub viel Gold.

Doch jetzt ist das Bergwerk zugemacht,

Dem gefährlichen Aufzug war man nicht

Die Höhe beträgt (3100) drei tausend ein hundert,

Die Hälfte haben wir schon davon.

Was mich noch am allermeisten wundert

Da oben ist meteorologische Station.

Doch die schöne Natur allein

Kann den Menschen nicht ergötzen.

(Bei [?]) Ein Bissen Brot, ein Gläschen Wein

Wissen wir auch wohl zu schätzen.-

Wir halten unterwegs nur kurze Rast.

Unser Ziel liegt noch gar weit.

Jetzt geht es dem großen Gletscher zu,

Drum haltet die Brillen bereit.

Der Gletscher wohl 500 m tief

Dehnt sich endlos aus.

Ich direkt hinter dem Führer herlief,

Mit ihm zuerst erreichte das Haus.

Die von Rojacher erbaute Zittelhütte

Zur Ruhe den Wanderer ladet.

Hier in der fröhlichen Hütte Mitte

Uns weder Sturm noch Schnee mehr schadet.

In dem einfachen Speisesaal

Ist unser Tisch schon gedecket

Jeder trifft leicht seine eigene Wahl,

Und jedem es herrlich schmecket.

Wir treten in das Gelehrtenzimmer

Um daselbst zu telephonieren

Seit sechs Jahren Peter Lechner1) kann immer

Hier Wind u. Wetter studieren.-

Wir legen uns zum nächtlichen Schlaf

In den einfachen, kleinen Schlafraum.

Die Müdigkeit läßt mich ruhn wie ein Graf.

Elmfeuer [Elmsfeuer] sehn wir, - doch nur im Traum.

Hartnäckig alle Berge verhüllen

Der vierte Beobachter der meteorologischen Station am Sonnblick (1887 bis 1894).

Ihr altehrwürdiges, weißes Haupt,

Es kann uns gar nicht mit Freude erfüllen,

Daß so schnöde wir der Aussicht beraubt.

Bisweilen wird aber der Blick doch rein,

Wenn den Glockner man nicht erblicken kann,

So sehn wir doch Hochnaer [?] u. Dachstein,

Steinernes Meer u. auch den Watzmann.

Und geht es grad wie Till Eulen Spiegel:

Beim Aufstieg freun wir uns zum Abzug.

Bergan legen wir an freiwillige Zügel

Bergab geht es in fröhlichem Flug.

In Kolm-Saigurn halten kurz wir uns auf.

Dann wandern wir über die Pocharder [Bockhart?] Höh,

Eine ziemlich steilen Berg hinauf,

Dann hinab zu dem großen Pochardsee [Bockhartsee?].

Hoch vorüber am teurern [?] Valeriehaus,

Auf schrecklich holprigem (Weg) Steg.

Schareck, Herzog Ernst [Herzog-Ernst-Spitze], kommen jetzt heraus,

Endlich verbessert sich unser Weg.

Aber wie trüget doch der Schein!

Wir glaubten uns schon am Reiseziel

Und dennoch bis in's Bad Böckstein

Gibt es der Wegkrümmungen noch viel.

Beim Mühlberger [Bockhartseehütte] nehmen Abschied wir

Von Onkel u. unserem Großpapa.

Wir gingen nach Wildbadgastein von hier,

Die "vergnügten" Herren blieben noch da.

Auf dem Elisabethwege, gar nicht weit,

Am Samstag nach Gastein wir wallen

Voller Bewunderung in Freud.

Hier kann's selbst dem Kaiser gefallen.

Wir gingen das schöne Weltbad entlang

Über den großen Wasserfall

Führt der gedeckte Wandelgang.

Die geputzten Herrschaften überall!

Wie armselig sind doch wir dagegen,

Wir, die durchnäßten Touristen!

Sie uns wohl tüchtig bedauern mögen;

Wenn wir uns nur dran stören müßten.

Um elf kamen wir nach Hofgastein,

Auch ein wirklich hübscher Badeort.

In der goldenen Traube kehren wir ein,

Pilgern nach Lend dann weiter fort.

Nach Tisch, in der Hitz, auf der sonnigen Straß

Ist wahrhaftig kein großes Plaisir.

Darum freuen auf das kühlende Naß

In Dorfgastein uns königlich wir.

Wir fahren längs der Gasteiner Ache;

Dies Thal ist wirklich großartig schön,

Der Klammpaß besonders in prachtvoller Lage.

In Lend, welch fröhliches Wiedersehn!

Dort holten uns ein unsere Reisebegleiter.

Jedoch nach kurzem Beisammensein

Fuhren wir mit der Eisenbahn weiter

Zu übernachten in der Kron' in Hallein,

Wir gingen von dort am Sonntagmorgen

Von Dürrnberg aus in den Salzbergwerkschacht.

Da mußten wir weiße Hosen borgen,

Wir haben nicht übereinander gelacht!-

Wir drangen bis 500m. tief

Hinab in der Berggeister Reich.

Erst man durch endlose Stollen lief,

Dann ging's auf die Rutschbahn gleich.

In einem abgeschlossenen Raum

Sehen wir wunderschöne Kristalle,

Versteinerungen, man glaubt es kaum

Und der Schutzpatronin Statuen alle.

Dann plötzlich aus der dunklen Nacht

Tauchet auf ein erleuchteter See.

Von dort in schneller Fahrt aus dem Schacht

Stehn wir vor Hallein, auf grünender Höh.

Am Nachmittag fuhren nach Salzburg wir,

Von Alberts Städten die aller beste.

Nachdem wir im Tiger [?] genommen Quartier

Bestiegen wir die Hohensalzburgfeste.

Wir besahen im Schlosser was sehenswert,

Lauschten dem Spiele der Glocken

Uns blieben oben im Gartenkonzert.-

Es konnte das Wetter uns nicht verlocken

Zu fahren am Montag nach Berchtesgaden.

Wir besichtigten deshalb genau die Stadt,

Dabei konnte uns der Regen nicht schaden.

Welche Vergnügungen man doch hier hat!

Am besten gefällt's uns im Peterskeller,

Woselbst man trinket den besten Wein;

Unser aller Augen leuchteten heller.

Sobald wir dorten traten ein.

Dem Kapuzinerberg war auch Mozart hold.

Dort komponiert'er die Zauberflöte.

Ein Zimmer von Alexander von Humboldt

Beweist, daß der auch nicht die Aussicht verschmähte.

Am Dienstag war zwar noch mit Dünsten

Die ganze Luft geschwengert stark.

Trotzdem fuhren wir zu den Wasserkünsten

Nach Hellbrunn in den schönen Park.

Was vermag doch nicht alles ein Wasserstrahl!

Aus der Tropfsteingrotte klingt Vogelgesang,

Der Wunderwerke bei jeglichem Tritte.

Zwar ist alles nur eine Spielerei.

Zum Steintheater lenken wir die Schritte,

Dann geht's an den Königsee, Juchhei!-

Einen Weg unter stetigem Regen

In vollgepferchtem Omnibus

Nach Berchtesgaden zurückzulegen,

Ist zwar wirklich kein großer Genuß.

Doch gottlob! Am Königsee lächelt wieder,

Wenn auch etwas trübe, die Sonne.

Wir setzen sogleich in den Kahn uns wieder

Und schaukeln u. gaukeln mit großer Wonne.

Wir gleiten dahin auf den grünen Fluten

Mit sehr erwartungsvollen Blicken.

Wir erspähen zwar nicht den Watzmann den guten,

Doch manchen anderen Bergesrücken.

Das Echo gibt dröhnend zurück die Schüsse

Die aus den Felsen erschallen,

Zum Donnerwetter müssen Regengüsse

Dann selbstverständlich fallen.

Fröstelnd ud. arg vom Regen durchnäßt

Landen wir in St. Bartholomä,

Wo man sich gar nicht widersetzt

Zu schlürfen einen warmen Kaffee.

Jupiter Pluvius ist wieder gut.

Wir bewundern die edle Form des Watzmann,

Gelangen nachher mit frischem Mut

Über Reichenhall in Salzburg an.

Am Mittwoch haben wir uns überwunden

Zu sagen ganz früh der Stadt adieu.

Wir fuhren bis zum schönen Gmunden

Und spazierten hinab an den Traunsee.

Gmunden, eine reizende Villenstadt,

Am Wasser gelegen ganz wunderbar,

Mehr Reiz als der Königsee für mich hat.

Das Wetter war aber auch heiter u. klar.

Wie majestätisch erhebt sich sich der Traunstein!

Wir fuhren am See dahin mit der Bahn,

Von wo aus die Aussicht ist wirklich fein.

Ich mir kaum Schöneres denken kann.

Nachdem wir gen Mittelweißenbach [Mitterweißenbach] kamen,

Gings zu Fuß an den Mond- u. Attersee.

Wir fanden die ersten, duftenden Cyklamen [Alpenveilchen],

Enziane u. Christrosen auf der Höh.

Der Atter- (oder Kammersee), ist der größte von allen;

An Schönheit sind sie so ziemlich gleich.

Mir haben die beide sehr gut gefallen,

 

So wildzerklüftet u. anmutreich

Wir wollten von hier aus den Schafberg besteigen,

Der Rigi ist's vom Salzkammergut.

Doch leider wollten die Nebel nicht weichen.

Mit der Fernsicht war's nichts, trotz der Sonnenglut.

Wider Willen mußten wir uns begnügen

Ganz dicht daran vorbei zu gehn.

Unsern Sehensdrang konnten wir dennoch genügen

Denn wir sahen statt dessen recht viele Seen.

Stein Meis [?], Egelsee an den von St. Wolfgang,

(St. Gilgen lieget daran)

Auf schönem Wege am Walde entlang

kamen nach 5/4 Stunden wir an.

St. Wolfgang, hörten wir auf Reisen,

Sei wegen seines Echos bekannt,

Auch Scheffel that ihn besonders preisen,

Ihm zu Ehren ist dort eine Scheffelswand.

Wir halten da mit Rudern an

Wir singen heitere Lieder.

Bis Strobl schiffen wir mit dem Kahn,

Fahren von dort mit der Eisenbahn wie [wieder?]

Nach Ischl trug uns das schnaubende Dampfroß.

Wir speisten in Sephians Doppelblick,

da ist der Anblick des Dachsteins groß,

Auch das auf den Badeort Ischl zurück

Von Ischl ging es nach kurzer Zeit

An den Hallstädter See, nach Hallsta [Hallstadt]

Albert endlich setzt Gelegenheit

Den Dachstein zu erklimmen, gefunde hat.

Wie andere reisten bis Stainach Irdni [Irdning]

Durchs fruchtbare Ennsthal dahin,

Vorbei am reichgezackten Grimming

Die Gegend gleicht sehr der des Unterin [Unterinn?]

In der Post waren wir stets gut augeh [aufgehoben?]

Wir kamen kaum in Stainach an,

Als wir auch schon zur Post hinthoben

Am Freitag war unser Heim in der Bahn.

Kammberg [Kammspitz?], Hochkönig, Dachstein u. Watzmann

Zeigten sich unserm bewundernden Blick.

In Bischofshofen hielten wir erst an,

Über Lend, Zell, Z, Kitzbühl gings zurück,

Und würde es unerträglich heiß

In dem vollgepferchten Coupé.

In Kufstein, dem Ziel unsrer heutigen Reise

Entringt sich unser alles ein freudig Juchhe.

In Drei König nahmen wir Nachtquartier.

Wir gehen zu der Festung hinauf.

Sehenswürdig ist gar nichts hier,

Drum brechen wir Samstag nach München auf.

Jetzt kommt der Abschied vom schönen Tyrol.

Tyrol, das wir schlossen so tief in's Herz.

Ihr lieben Berge lebt wohl, lebt wohl!

Das Geheisen von euch macht uns großen Schmerz

Um 11 Uhr mittags, am 5. August

Zogen wir ein in München.

Wer hätte das je früher gewußt,

daß sobald Erfüllung wird meinen Wünschen.

In Nymphenburg ist es, meiner Seel,

Recht interessant und schön.

Die Muschelkapelle von Max Emanuel

Mit Coreggio's Magdalena ist dort zu seh'n

Das Leben im Volksgarten, das ist flott!

Bude an Bude ohne Zahl,

Die vielerlei Musik, saperlot,

Scarda [?] wer am meisten nach unserer Wahl.

Am Abend erst in Kils Kolloseum

Ihre es viel unterhaltsames noch.

Ich war von Bewunderung einfach stumm.

Wie vielerlei bietet die Großstadt doch!

Am Sonntag wollen uns Hölzles verlassen,

Sie ziehen nach der Heimat fort,

Wir bummeln fortan allein in den Straßen,

Münchens ein in Kirchheim, dem Heimatsort.

Wir gingn vom Café Luitpold aus

In der Stadt herum spazieren,

Laßen zum Abschied ins Hofbräuhaus

Von unserm Cicero [?] uns führen.

S'war halt ein herrlich Beisammensein

Mit unseren lieben Schwaben.

Wir sind so einsam u. allein

Seit sie uns verlassen haben.

Am Mittag im Gabelsbergerbräu

Die Regimentsmusik spielte.

Wir amüsierten uns gar nicht dabei,

Das Volk dort förmlich wühlte.

Am Montag ab wird es erst recht interessant.

Durch die Marmorstatuen der Glyptothek

Werden mit dem antik-klassischen Geist wir bekannt.

Dann sehn wir in der alten Pinakothek

Die berühmten Kupferstiche u. Vasen,

Der schönen Gemälde unzähliges Heer

Entzückten mich so über alle Maßen,

Doch, daß ich mich jetzt schon freu auf die Wiederkehr

Einen Blick in die Bühneneinrichtung

War mein Wunsch gar lange schon.

Es übertraf meine höchste Vorstellung,

So viel versprach ich mir nicht davon.

Sie verschieben Koulissen, Decken u. Wände

Lassen es regnen, donnern u. blitzen,

Sie beherrschen vollständig die Elemente,

Während im Parterre die Zuschauer sitzen

Auf der Theresienwiese, vor der Ruhmeshalle,

Wo die Riesenbavaria thront,

Erklimmen wir die Stufen alle,

Doch den Aufstieg durch den Hals sich gar nicht lohnt.

Das Monster[?]-Konzert im Löwenbräu

War dirigiert vom Kapellmeister Fach.

Die Kriegserinnerung war's schönste dabei,

Die hielt selbst uns müde Schläfer wach.

Am Dienstag spazierten im Englischen Garten

Wir bis zum chinesischen Haus,

Ließen uns dort den Kaffee aufwarten,

Kamen bei der Universität dann heraus.

In der Bibliothek, der viertgrößten der Welt,

Sind das Bücher 1 1/4 Millionen

In sieben u. siebzig Sälen aufgestellt,

Ein Gang dahin thät sich wirklich lohnen.

Wessobrunner Gebet, Muspilli, Heliand,

Roswithas Werke, Tristan u. Parzival,

Die alten Namen sind hier wohlbekannt.

Wer nennt die Schriften u. Noten all?

Dann besah ich mir von innen das Schloß.

Was soll ich hier wohl besonders schildern?

Diese Pracht, so unbeschreiblich groß

Die Gemächer mit den Siegfriedsbildern?

Es haben viel bessere Sänger als ich

All diese Reize besungen.

Drum hülle ich in Schweigen mich;

Meinen Beifall hat es völlig errungen.

Nach der Pinakothek, der neuen,

Lenk ich am Nachmittage die Schritte.

Noch mehr als die alte that die mich erfreuen

Das Erstaunen, das Entzücken bei jedem Tritte!

Wir nahmen dann zuhause den Thee.

Fürs Gärtnertheater gabs gute Billete.

Boccaccio wird gegeben von Suppè,

Über dieser lachten wir nur so um die Wette.

Die Geräte wie sie schafft die Natur,

Sich verbessernd immer mehr u. mehr

Bis zur höchsten Höhe der Kultur

Bei allen Völkern das Ende umher,

Dies seh'n wir im Ethnographischen Museum,

Das geschlossen wird um 11 Uhr;

Alsdann bewundern wir im Maximilianeum

Die Meisterwerke der Einheimischen müd [?].

Es herrschet ein hoher, hehrer Geist

In den reichen, großen Sälen?.

Die Gemäldeausstellung darin beweist,

daß die ersten Künstler in München nicht fehlen

Am Abend hörten im Residenztheater

Wir Schillers Kabale und Liebe,

Wie Luise opfert den Geliebten ihrem Vater.

Wenn meine Rührung doch nur wer verborgen bliebe!

Das Nationalmuseum war aufgespart

Auf den Vormittag des Donnerstag.

Welch reiche Schätze da aufbewahrt

Kaum ein Gelehrter beurteilen mag.

Von schönen Läden auch schenken wir

Unsre ungeteilte Aufmerksamkeit

Ein gut gespikter Geldbeutel hier

Möchte stets man halten bereit.

Wir lauschen als dann im Achatz [?] Restaurant

Einer Damenkapelle aus Wien.

Ihr Name ist zwar nicht weltbekannt,

Doch uns es recht unterhaltsam schien.

Am Freitag im Museum Schwanthaler

Bewundern wir die Gypsmodelle.

München ist für Bildner wie Maler,

Für jegliche Kunst die beste Quelle.

An schönen Kirchen ist's besonders reich.

Sei's Theatiner, Ludwig, St. Peter, Dom,

Sie alle großartig, erhaben gleich.

Dann sah ich im Panorama von Rom

Den Einzug des Kaisers Konstantin,

Und dann, - uns dann, v größte Freude.

Dann ging es in's Hoftheater hin,

Tannhäuser wird hier gegeben heute!

Gestilltet wird mein größtes Sehnen,

Und nicht vergebens freut ich mich.

So großartig dürft es niemand wähnen,

Ganz wunderschön war es, einfach himmlisch.

Dreßler, Ternina [Milka Trnina?], Vogl u. Wiegand,

Scheidemantel, sie trugen alle Lorbeer davon,

Mit größter Ehrfurcht wird ihr Name genannt.

Zur Feier trinken im Theesalon

Wir noch ein Gläschen Santurin.

Doch mit dir kein Vergleich, mein lieber St. Peter.

Am Samstag in die Pinakothek hin,

Zum Polytechnikum, der Akademie später

Und dann in's prähistorische Museum.

Das erzählet uns neue Mähr

Von Geräten, Menschenskeletten ringsum;

Hauße ein Faultier, ein Höhlenbär,

Gerippen von ganz kolossalen Tieren,

Versteinerungen herrlicher Art,

Alles andere einzelne hier anzuführen

Bleibet mir hoffentlich erspart.

Wir kaufen dann ein im manchen Laden

Erquicken uns auch an Kaffee ud. Kuchen.

Am besten ist doch unter den Arkaden,

Wir brauchen da gar nicht weiter zu suchen.

Dann wandeln wir zum chinesischen Haus

Woselbst die Musik spielet,

Bis zum Hesseloher See hinauf.

Erst als die Abendluft angenehm kühlet

Suchen wir auf den Hofbräukeller.

Dort treffen wir Buchholzens [?] aus Berlin.

Gleich strömet unser Redefluß schneller,

Es eilen im Fluge die Stunden dahin.

Wir besuchen am Sonntag die Sezessionisten

Um ihre Gemälde anzuschauen.

Leider sind sie zu sehr Materialisten,

Als daß ihre Werke könnten erbauen;

Einige aber sind wirklich gut.

Am Mittag fahren wir an den Starnberger See,

Mit dem Dampfer durchkreuzend die grüne Flut

Seh'n wir Karwendel, der Zugspitze Höh.

Am Abend hören wir Gasparone,

Wobei wir uns köstlich amüsieren.

Dies Stück ist geeignet zweifelsohne,

Die Hypochondrie zu kurieren.

Am Montag geht es von München fort.

Ach wie weh thut doch das Scheiden!

Die vielen Kunstgenüsse dort,

Kein einziges kann uns heim begleiten!

Aber Freudig ziehen wir doch nachhaus.

Nachhause zieht's uns mit tausend Banden

Erst in der fremden Welt da draus

Wir den Vorzug der Heimat so recht erkannten.

Um ein Uhr kommen wir an die Bahn,

Steigen aber in Plochingen um,

kommen um sechs Uhr in Kirchheim an,

Und sind dort wirklich vor Freude stumm.

Besuchen wir die lieben Hölzles doch,

Unsern Reisebegleiter, unsere Lieben,

Ach wie (Cäne [?]) gerne wären wir länger

In der Adlerapotheke geblieben!

Aber umsonst, es gehet nicht.

Wir müssen nach Landau ohne Zage [?]

Rich muß am Donnerstag aufs Gem [?]

Da hilft kein Jammern u. Klagen.

Karlsruh erreichen wir bald genug

Um dort noch einige Stunden zu weilen [?]

Wir können hierauf mit dem Theater

Unserm lieben Pfälzerland zueilen.

Allzu flüchtig war der Horen [?] Reigen,

Die fünf Wochen flogen nur so dahin

Nie wird mir die Erinnerung daran weichen

Ich bewahr sie mit dankbarem, fröhlichem [?] Sinn [?]

 

Weihnachten 1893.