Geehrtester Herr!
Diesen Sommer war ich durch allerlei Gründe abgehalten, Ihr wertes Schreiben zu beantworten. Anfangs war ich mehrere Wochen fieberkrank und nachher schwach und mutlos zur Arbeit und erholte mich erst, als die grosse Hitze anfing. Dieser Zustand hatte auch auf das Bild Einfluss und erst nach einigen Monaten, da Hitze und Zweifel mich um die Wette geplagt hatten, fing der Weg wieder an sich zu ebnen. Dass solche Zustände nicht mittheilsam machen hat wohl jeder Mensch, der nicht von Eisen ist, schon erfahren müssen, und glaube deshalb auf Ihre Nachsicht rechnen zu dürfen. Wegen eben der Unzufriedenheit mit der Arbeit schob ich 
auch das Photographieren auf und glaubte Ihnen damit einen entmuthigenden Anblick erspart zu haben, indem ich ein weiteres Stadium des Bildes abwartete. Ihre Bemerkung, dass ein Staffeleibild nicht wie eine Dekoration dürfe behandelt werden, sondern dass mit der Stimmung eine genaue sachliche Durchbildung zu verbinden sei, ist ganz der Ausdruck meiner Ansicht in Betreff dieser Bilder. In andere kann wirkliche der Detaillierung vorherrschen, wieder in anderen die dekorative Erscheinung, je nach dem leitenden Grundgedanken, der immer von der Anschauungsweise des Künstlers bedingt wird. Hierüber zu sprechen würde zu weit führen. Meine Ansicht ist die, dass den Beschauern das Bild nicht dürfe müde werden, dass alles 
Einzelne zwar zum Ganzen sprechen müsse, manchmal ganz untergeordnet; aber an sich soll es schön sein. Die schönen Künste sind nicht zur Qual der Menschheit da, sondern zur Freude. Um diese Durchbildung erreichen zu können habe ich in den letzten Jahren vielerlei technische Versuche gemacht, die ich aber bei Ihrem Bild nicht anzuwenden wage, da ich von der Oelmalerei sichere Beweise der Dauerhaftigkeit habe und sich bei gehöriger Behandlung eine Vollendung und Farbenschönheit erreichen lässt, die man diesem Material gewöhnlich nicht zutraut. Nun glaube ich bis im December od Januar fertig zu werden, möchte mir aber noch einige Wochen mehr vorbehalten, um Urtheile zu hören und etwaige Berichtigungen vornehmen zu können. Bis jetzt habe ich die Arbeit sorgfältig geheim gehalten, um nicht durch voreilige Bemerkungen 
irr gemacht zu werden. Später ist aber ein Urtheil Sachverständiger unumgänglich nothwendig, weil sich das Auge sogar an Fehler gewöhnen kann, und werde so frei sein, auch Sie um Ihr Urtheil zu bitten. Auf etwas mehr Arbeit kann es mir bei einem Bild nicht ankommen, wo mir Gelegenheit geboten ist, dasselbe zu Ihrer und eigener Zufriedenheit zu vollenden. Von Ihrem gütigen Anerbieten eines fernern Vorschusses mache ich indessen dankbarst Gebrauch und bitte mir denselben im Lauf des Monats zusenden zu wollen. Mit besonderer Hochachtung
Ihr ergebenster A. Böcklin