Verehrtester Freund!
Heute habe ich eine Wohnung angesehen und nun finde ich, dass ich denn doch zu wenig die nothwendigen Erfordernisse kenne. Zuerst die Beschreibung der Wohnung! Sie liegt in via Cavour nahe bei Piazza S. Gallo im 2ten Stock des Palazzo Alfieri. Der Eingang ist sehr schön breit und bietet durch eine Glasthüre den Durchblick in den stattlichen Baumgarten, welcher zum Palazzo gehört und auch zum Besuch frei steht - für die Bewohner des Palazzo. Die Treppe hat niedrige, breite Stufen, sodass man ohne die geringste Ermüdung in den zweiten Stock gelangt. Hier ist die Eingangsthüre etwas klein, verglichen mit der des Palazzo Orsini zum Beispiel und durch diese 
tritt man in das Vorzimmer, ein etwa 18 Fuss langer und 8 breiter Raum, an dessen beiden Enden je eine Thüre in die Wohnung führt. Diese besteht aus 5 Schlafzimmern und 8 sonstigen Wohnräumen, worunter 3 hübsche Salons, einer ziemlich gross, eine geräumige Küche, woneben das Speisezimmer und eine Treppe höher befinden sich noch 2 Dienstbotenzimmer. Ausserdem ist noch ein Bad da. - Das wäre Alles recht schön, wenn ich wüsste wieviel Personen sich in diesen Räumen aufhalten sollen. Die Wohnung ist gut eingetheilt und comfortabel mit eleganten neuen Möbeln versehen; auch liessen sich noch einige Betten aufstellen, sowie eines der Wohnzimmer zum Schlafen einrichten; doch wie viele sollen hinein? Lassen Sie mich deshalb baldmöglichst den ganzen Bestand wissen. Mir ahnt, dass der Raum nicht ausreiche. Fast hätte 
ich den Preis vergessen. Es werden 800 Lire gefordert, doch könnte eine Ermässigung nicht unmöglich sein (nämlich 800 Lire per Monat). Natürlich warte ich, bevor ich mit dem Eigenthümer ein Wort hierüber sage, Ihre Antwort ab. Bis dahin ist es überflüssig, auch Ihnen weitere Mittheilungen zu machen. Also wieviel Schlafzimmer und wieviel Betten sind nothwendig und wieviel Dienstboten sind unterzubringen? Das ist die Hauptfrage. Ich werde unterdessen noch andere Wohnugen zu sehen bekommen. Heute Abend ist bei uns, wie jedenfalls auch im gräflichen Haus, Weihnachtsjubel. Was bekommt mein Freund Kani? Hoffentlich sind Alle zu diesem Fest in der gehörigen Verfassung und das Christkindlein wird auch Sie, verehrtester Freund, wenigstens mit einem grossen Pfefferkuchen beschenken. Nun muss ich nach Hause, um den 
Christbaum anzuzünden und Musik zu machen, bis die Bande hereinstürmt. Mit der Bitte, mich der gräflichen Familie zu empfehlen, grüsst Sie herzlich und wünscht Ihnen ein gutes Neujahr
Ihr A. Böcklin