Lieber Landsinger!
In der Hoffnung, dass Sie endlich wieder vollkommen hergestellt sein werden und mit der gehörigen Fütterung bei warmem Frühlingswetter auch die Kräfte und somit das Vertrauen auf die Zukunft zurückgekehrt sein wage ich, Ihnen einige Zeilen zu schreiben. Zudem habe ich Ihnen nichts Unangenehmes zu melden; sogar das für mich selbst Unangenehme, welches hier für den Anfang zu erwarten war, ist überstanden. Das Atelier ist bis auf einige unwichtige Nebendinge vollständig eingerichtet und die Bilderfabrik geht wieder ihren Gang. Es ist ein sehr schöner Raum geworden und wenn eine Arbeit schlecht ausfällt so kann ich nicht das schlechte Licht oder sonstige äussere Ursachen als Entschuldigung vorbringen - für andere Hindernisse wird das Schicksal, wie bisher, schon sorgen. Die Wohnung ist etwas kleiner als in Florenz, aber doch comfortabler eingerichtet, was aber vor Allem besser daran ist. Das ist die Lage, denn man hat gar nicht das Gefühl, in der Stadt zu wohnen, überall grün und Vogelgesang statt dem Brüllen der frutt- und cenciajoli und no-o-o-ova fresche, assortinooo!!! Und all diesem grässlich rohen Gesindel. Hier würde ein solcher Brüller wegen mutwilliger Ruhestörung sofort eingesteckt und bestraft werden. Überhaupt hat man hier das Gefühl, unter einem gesitteten und verständigen Volk zu leben, was eben in Italien durchaus nicht der Fall ist. Die Landschaft ist herrlich schön,
und mir scheint, dass gerade der Überansturm derselben die Klippe ist, an welcher bisher die Maler gescheitert sind. Der Künstler darf nicht Alles durcheinander geben, sondern muss wählen und Mass halten und nur das Zusammengehörige geben. Wir sind Alle sowohl, wie mir zu wünschen und ich hoffe, dasselbe bald von Ihnen zu vernehmen, sowie was Sie treiben und planen. Sie wissen, welchen herzlichen Anteil ich an Allem nehme, was Sie betrifft.
Ihr A. Böcklin
Grüsse an Knopff's, Z. Helle, Heydweiller, Hendschel, Dr Kurz, Kutfuss und wer etwa sonst nach mir fragt.